■ Was Sie schon immer über Fußball wissen wollten n
: Am Anfang war es „Fußlümmelei“

„Was Sie schon immer über Fußball wissen wollten“, unter diesem Motto ist StudentInnen der Kulturwissenschaften an der Bremer Uni eine besonders geschickte Verbindung von privatem Interesse und offiziellen Studienanforderungen gelungen: die AG „Werda Brem“ wurde aktiv. Die Ergebnisse dieser studentischen Forschungsarbeit druckt die taz anläßlich des Saisonstarts in den nächsten Tagen an dieser Stelle: U.a. ein Besuch bei „Rigo's Nouveau“, der Herrenmoden-Boutique des Ex-Werder-Spielers Rigobert Gruber, ein Portait des Werder- Schuhwarts, der den Puma-Streifen weißt.

„Fußlümmelei“, „zutiefst häßliches Treten gegen den Ball“, „Errungenschaft englischen Aftersports“, so charakterisierte der prominente Turnführer Professor Karl Planck in seiner polemischen Kampfschrift aus dem Jahre 1898 das Fußballspiel. Etwa ein Jahr später, im Februar 1899, gründen sechzehn Jugendliche, überwiegend Schüler einer Bremer Realschule, den „Fußball-Verein Werder“ (FVW).

Fußball war im wilhelminischen Deutschland alles andere als ein populärer Volkssport. Das säbelrasselnde Kaiserreich der Jahrhundertwende schätzte es vielmehr, wenn sich die deutsche Jugend beim traditionellen Turnen ertüchtigte. Mit Turnvater Jahns Leibesübungen hatte sich in Deutschland schon eine „nationale Sportart“ etabliert und die deutschtümelnde Turnerschaft wehrte sich vehement gegen die Ausbreitung dieser importierten „undeutschen Modetorheit“. Das bekamen auch die „Werderaner“ zu spüren, sie mußten schon nach kurzer Zeit ihren ersten Spielplatz beim „Kuhhirten“ auf dem Stadtwerder verlassen, da die Stadt Bremen dieses Gelände durch das Fußballspiel als zweckentfremdet ansah. Fortan grasten wieder Kühe auf dem Spielfeld und die jungen Fußballfreunde mußten sich eine neue Grünfläche suchen.

Fußball hatte einen entscheidenden Vorteil: Er konnte fast überall gespielt werden und die Spielerausstattung war leicht zu beschaffen. Der Schuster nagelte Klötzchen unter ein altes Paar Straßenstiefel, Vaters abgetragene Hose wurde auf sportliche Länge gekürzt. Überall dort, wo nicht gerade Milchvieh weidete, konnte die wilde Jagd auf das runde Leder beginnen.

Damit hatte der Fußball schon damals die besten Voraussetzungen, ein Volkssport zu werden. Er blieb aber in seinen Anfängen auf das bürgerliche Milieu beschränkt. Auch die Gründungsmitglieder des FVW waren Söhne aus „besseren Kreisen“.

Trotz seiner britischen Herkunft war das Ballgetrete der Werderaner alles andere als die „feine englische Art“. Das, was wir heute aus der blumigen Sportjournalistensprache als „tödlichen Paß“, „Kombinationsspiel“ oder „Kleinklein im Mittelfeld“ kennen, war den Werderanern erst einmal unbekannt. Körperkraft und Durchsetzungsvermögen zählte, abgespielt wurde nur im äußersten Notfall, und gegnerische Spieler, die den Weg zum Tor versperrten, wurden einfach niedergerannt. Das alles erinnerte noch sehr an die Herkunft des Fußballs, den Rugby. Die Bremer Kicker mußten aber bald erkennen, daß dieser Brechstangenfußball kein Garant für sportlichen Erfolg war. Zähneknirschend entschloß man sich, vom „Werder-Stil“ der ersten Jahre Abstand zu nehmen und eine etwas elegantere Spielweise einzuführen.

In den letzten Jahren vor Beginn des Ersten Weltkriegs beschleunigten prominente Balltreter die Ausbreitung des Fußballsports: des Kaisers Söhne höchstpersönlich konnten sich das Kicken nicht mehr verkneifen. Seine Hoheit Kronprinz Wilhelm stiftete einen Wanderpokal (den Kronprinzen-Pokal), der durchlauchte Prinz Friedrich Karl von Preußen jagte im Trikot des SC Charlottenburg gar selbst dem Ball nach. Fußball konnte sich mehr und mehr etablieren, aber erst in den 20er Jahren wurde er ein Volkssport.

Alexander Rorsch, Eckhard Rotte