Drogenkrieg in Oberneuland

■ Bürgerinitiative im Streit um die Unterbingung von Junkies gespalten / Sollen Drogenabhängige im Container bleiben oder in ein festes Haus?

Als „vorschnell“ bezeichnet Heino Heinken, Vertreter des Staatsrates für Soziales, eine Meldung des Weserreport, derzufolge die 24 in Containern auf der Oberneulander Fohlenweide untergebrachten Junkies ebendort bleiben sollen. Beinahe wörtlich hatte der Weserreport in seinem Artikel eine Pressemitteilung von Günter Klein nachgedruckt, dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten der CDU und Sprecher der Oberneulander „Bürgerinitiative für eine rationale und menschliche Drogenpolitik“. Anders als die Sozialdeputation, die im Februar den Umzug der Junkies aus den Containern in das Haus beschloß, behauptet Klein, daß die Drogensüchtigen auf der Wiese bleiben. Dies sei das Ergebnis eines Gespräches, das vor einer Woche zwischen Parteikollege und Finanzsenator Ulrich Nölle, dem neuen Staatsrat für Inneres, Hans-Georg von Bock und Polach, dem Staatsrat für Soziales, Hans-Christoph Hoppensack sowie Vertretern der Bürgerinitative stattgefunden hat.

„Wir bewegen gar nichts“, widerspricht Heinken dem vermeintlichen „Kompromiß“, zu dem es bei diesem Gespräch gekommen sein soll. „Wir verfolgen unseren alten Plan“, und der heiße: Umzug der Drogensüchtigen in das Haus Oberneulander Landstraße 19. Man sei allenfalls gesprächsbereit, wenn die Bürgerinitiative sämtliche Bedenken ausräumen könne, die dem Verbleib der Junkies auf der Fohlenweide entgegenstehen: Schwergewichtiges Argument ist das Gerichtsurteil, mit dem die Stadt vor drei Jahren die Unterbringung der Junkies gegen die streitbaren OberneulanderInnen durchgesetzt hatte. Darin wurde bestimmt, daß die Unterbringung in Containern aufgrund planungsrechtlicher Mängel nur so lange erfolgen dürfe, wie es keine andere Alternative gibt. Nach mehrmaligen Fristverlängerungen lief dieser Beschluß angesichts des von der Sozialdeputation für September beschlossenen Umzuges der Junkies am 31.8. aus.

„Juristisch ist gar nicht möglich, was der Herr Klein da als Kompromiß darstellt“, wettert Hasso Nauck. Er ist Sprecher der Oberneulander „Bürgerinitiative gegen Drogencontainer in Wohn- und Erholungsgebieten“, die beim Gespräch mit Nölle gar nicht erst eingeladen war. Dabei ist diese Initiative die ältere. Sie hatte sich bereits vor drei Jahren gebildet, als es noch darum ging, die Junkies ganz aus Oberneuland rauszuhalten. Neben Hasso Nauck kämpfte damals auch Günter Klein in vorderster Front mit. Aus Protest gegen die Stadt besetzte man gar 99 Tage lang die Fohlenweide, die Nachbarn trugen sich in „Dienstlisten“ ein, um mit den Besetzern die Stellung zu halten.

Die eingeschworene Gegnerschaft der Oberneulander, die sich damals um keinen Preis auseinanderdividieren lassen wollten, geißelte Sozialsenatorin Gaertner im Septemebr 1992 mit den Worten: „Wenn in keinem Stadtteil ungeliebte, unbeliebte, mißliebige Menschen mehr eine Bleibe finden – was soll denn dann mit ihnen geschehen? Sollen wir sie in Polizeiwagen stecken und über die 'grüne Grenze' karren?! Irgendwo auf einem freien Feld in Niedersachsen aussetzen? Dies kann doch nicht sein. Dies ist schiere Heuchelei. Ja, ich setze noch eins drauf: dies ist faschistisch.“

Der von der Jungen Union daraufhin geforderte Rücktritt fand nicht statt, und Oberneuland erhielt seine Junkies. Ob Hasso Nauck sich der Worte der ehemaligen Sozialsenatorin erinnert, sei dahingestellt. Er plädiert heute jedenfalls für den Umzug der Junkies in das Haus an der Oberneulander Landstraße, bleibt aber gleichzeitig dem Namen seiner Bürgerintiative treu: „Keine Container in Wohngebieten“. Anders Dissident Günter Klein. Er sieht in der neuen Koalition mit Nölle in der Spitze eine Chance, den „sozialschädlichen und unter Sicherheitsaspekten ungünstigeren“ Wohnplatz der Junkies an der Oberneulander Landstraße zu verhindern.

Möglicherweise setzt er darauf, daß das von ihm forcierte Container-Provisorium, einmal beschlossen, keine lange Lebensdauer haben würde und Oberneuland unter seiner Ägide wieder ganz drogenfrei gemacht werden könnte. Am liebsten würde er, gestand er der taz, die Drogensüchtigen zentral unterbringen, in der Kaserne Vahr oder anderswo.

Beide Vertreter machen sich den Führungsanspruch streitig und sind sicher, die Mehreit der Oberneulander hinter sich zu haben. Nauck: „Unsere BI hat über 400 Leute“, bei der letzten Versammlung der Klein-Initiative seien dagegen nur „40 bis 80“ OberneulanderInnen gewesen. Günter Klein hält dagegen: „Die Initiative, von der Nauck spricht, gibt es gar nicht mehr. Wir haben die Mehrheit der Bürger hinter uns.“ Das wiederum reizt Nauck dazu, Klein gegenüber der taz als „glücksbesoffen“ zu bezeichnen und setzt, auf den Namen der BI seines Kontrahenten anspielend, nach: „Bei Containern kann man doch wohl kaum von einer menschenwürdigen Drogenpolitik sprechen.“

Der Meinung sind auch die Junkies, die endlich in ein normales Haus umziehen wollen. Von dem Streit der Oberneulander, der sich seit dem Gespräch zwischen Klein und Bürgermeister Nölle, zusehends zuspitzt, könnten sie sogar profitieren. Denn auch das macht die Sozialbehörde zur Bedingung möglicher Umplanungen: „Die Bürgerinitiativen müßten sich einigen.“ dah