■ Grüße aus Göteborg
: Didi-didi-dip

„Enjoy it“ und – runter damit! Haben also gerade den siebenundzwanzigsten Schokoriegel weggesnickert. Für umsonst, versteht sich. Nicht schlecht auch, wenn man bedenkt, daß nur 48 Stunden dafür zur Verfügung standen. Nun regt sich zwar schlechtes Gewissen. Aber, was: Unterstützung erhalten wir in der ganzen Stadt. Ganz Göteborg scheint's in diesen heißen Tagen zu tun. Die Stadt ist, ja was, ... irgendwie erinnert man sich an Las Vegas. Was dort die Slotmachines, sind hier die Plakate, die Werbestände, die Produkte der WM-Sponsoren. Omnipräsent. Determinierend. Kaum gelandet draußen in Landvetter, verliert man sich im postpostnihilistischen Meer des Konsums. Und selbst in den Umkleidezonen sieht man Athleten, den Schweiß des Wettbewerbs noch im Gesicht, im Atlanta- Rhythmus – didi-didi-dip – zu den koffeinhaltigen Erfrischungsgetränken rennen. In der Luft ist übrigens auch dieser seltsam amerikanische Geruch. Zehntausende rasen jeden Abend die Kungsportsavenyn rauf und runter, die Sehnsucht nach dem ewigen Sommer in den Gesichtern. Es scheint, als rufe ihnen eine geheime Stimme die große Botschaft zu: „Enjoy it“.

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Doch, woher die Zeit? „Ich“, haben wir Melanie Paschke (25) sagen hören und dazu genickt, „habe keine.“ Die Braunschweiger DLV-Vorzeigeathletin will sich heute nachmittag für den 100 m-Endlauf heute abend qualifizieren. Was sich gut angelassen hat. Gestern startete sie mit lockerem Vorlaufsieg. Wie die EM-Dritte ihre Tage verbringt? Im AthletInnendorf, in „panischer Angst“. Wovor? Dem Leben? Und wie es spielen könnte. Etwa, daß frau aufsteht und – „umknicken könnte“. Was einem, sagt Frau Paschke, da in der Ungewißheit „durch den Kopf geht, ist Wahnsinn“. Passieren kann – „die kleinste Kleinigkeit“.

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Eine bemerkenswerte Gestalt ist Zhihong Huang (30). Die in den Niederlanden lebende Chinesin trägt ein Lächeln, das noch breiter ist als ... jede etwaige Ungalantheit. Als erste asiatische Weltmeisterin, erste Kugelstoß-Doppelweltmeisterin, hätte sie in diesen Tagen gar als erste Tripleweltmeisterin in die Geschichte eingehen können. „Naja“, hat die ungewöhnlich gutgelaunte Dame darauf erwidert, „ich habe schon mal dran gedacht, aber... nun bin ich zweite und darüber glücklich.“ Dann hat sie der Siegerin Kumbernuss feixend auf den Rücken geklopft. So fest, daß es, sagen wir, die dürre Paschke an Kumbernuss' Stelle bestimmt überschlagen hätte, bis sie mit geknicktem Fuß auf der Strecke geblieben wäre. Vorsicht ist daher geboten, falls jemand sich nähern sollte, der lauthals „Just enjoy it!“ ausruft. Das nämlich wird Huang sein. Andererseits klingt es so überzeugend, daß selbst wir seither frohen Herzens durch didi-didi-die Straßen gehen. -pu-