Wissenschaft contra Menschenwürde

■ betr.: „Kurz und fündig: Embryo nen“ (Arzt plant Baby-TÜV im Reagenzglas), taz vom 31. 7. 95

Die von K. Diedrich, Direktor der Lübecker Uni-Frauenklinik, geplante Untersuchung auf Erbkrankheiten bereits bei Embryonen im Reagenzglas wäre, sollte Diedrichs Antrag bei der Ethikkommission der Uni und der Landesregierung auf Billigung stoßen, der erste „Versuch“ dieser Art in Deutschland. Der erste „Versuch“, Menschen mit Behinderung ihr Lebensrecht abzusprechen, ist dieses allerdings nicht. Durch die Bewertung eines möglichen „genetischen Defektes“ teilt Diedrich Leben in lebenswert und -unwert ein.

Neben den „Opfergaben“ und Prozeduren, denen Frauen sich bei diesen und anderen Techniken unterziehen, wird der Handlungsdruck werdender Eltern und besonders der schwangeren Frauen, immer größer. Das Angebot zur „Pränataldiagnostik“ wird immer größer, und so entstehen Entscheidungszwänge. Frauen, die sich nicht den Untersuchungen unterziehen und/oder ein Kind mit Behinderung austragen wollen, werden immer noch schief angesehen und mit Unverständnis bedacht. Hier geht es nicht um die „Selbstbestimmung“ der Frau, sondern darum, die Frau als „Produzentin“ dazu zu bewegen, nur „einwandfreie Produkte“, sprich Babys, abzuliefern. Auf Schwangerschaft kann sich nicht mehr unbefangen eingelassen werden, vielmehr unterliegt sie einer technischen (meist männlichen) Kontrolle.

Wenn dieser oder andere Anträge Boden finden, zeichnet sich ab, daß es bald nicht mehr möglich sein wird, wirklich selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, sofern sich diese gegen die etablierte Verpflichtung, nur noch „perfekte“ Kinder zu gebären, richtet. Ist uns mit der Nachfrage nach den neuen Techniken die Fähigkeit zur Reflexion auf die Wertbezüge verlorengegangen, oder wird hier nicht eindeutig und bewußt sortiert?

Lebensrecht von Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen ist nicht diskutierbar. In diesem Sinne fordert die Landesarbeitsgemeinschaft BehindertenPolitik von B 90/Grüne Schleswig-Holstein sowohl die Ethikkommission der Universität als auch die Landesregierung auf, diesen Antrag abzulehnen. Dagmar Sell, Sprecherin der

LAG, Bordeshelm