Die Bundeswehr ist kein Konfliktlöser

■ betr.: „Pazifismus um jeden Preis“, taz vom 27. 7. 95, „Drei ver lorene Jahre“, taz vom 28. 7. 95

[...] Inzwischen beginne ich meine Lektüre zum Bosnienkrieg auf der Leserbriefseite. Dort sind „intellektuelle Dünnbrettbohrer (Thomas Schmid, taz vom 28. 7. 95) unter sich. Sicher, Thomas Schmid ist Chefredakteur der taz, hat schon viermal Sarajevo im Krieg „besucht“ und plädierte bereits 1992 für eine militärische Intervention, wie man unter seinem Beitrag lesen konnte. Aber auch angesichts dieser eindrucksvollen Reputation und seiner markigen Worte schaffe ich noch nicht einmal zu vergessen, was ich vor neun Jahren in meine Kriegsdienstverweigerung geschrieben habe. [...]

Als intellektueller Dünnbrettbohrer weiß ich eigentlich nur, daß ich Bosnien nicht befrieden kann. Und deshalb will ich es nicht versuchen. Mein Interesse gilt allein der Demilitarisierung der Bundesrepublik. Ob das Agenturfoto einer Frau, die sich im Kriegsgebiet erhängt hat (taz vom 15./16. 7. 95), einen Hilferuf nach internationalem Militäreinsatz darstellt, ob es vielleicht die Ohnmachtshandlung einer Pazifistin zeigt oder etwas ganz anderes, maße ich mir nicht an zu entscheiden.

Eine Bundeswehr war im Grundgesetz der Bundesrepublik ursprünglich nicht vorgesehen, sondern nur Grundrechte für diejenigen Deutschen, die an der Erarbeitung des Grundgesetzes nicht mitwirken konnten. Und die sind dann 1989 dieser „Einladung“ gefolgt – ganz friedlich und ohne militärische Beteiligung. Die von Konrad Adenauer bis 1955 durchgesetzte Bundeswehr war zur Überwindung des Kalten Krieges unnötig. Gebraucht hat sie niemand, aber einigen wenigen ermöglichte sie ihren Wohlstand zu mehren (Die Sparte „Verteidigungstechnik“ von Daimler-Benz wird 1995 zum ersten Mal wieder schwarze Zahlen schreiben, taz vom 31. 7. 95, Seite 6). Die föderalistische Bundesrepublik konnte sich trotz aller Mängel als das besseres System durchsetzen, weil sie das Engagement des einzelnen erfolgreicher förderte als die zentralistische DDR. Das allein hat ihren wirtschaftlichen Erfolg, ihre Stärke und letztlich ihre Attraktivität für eine friedliche Wiedervereinigung ausgemacht. Bereits 1952 bestand mit den sowjetischen Deutschlandnoten an die Westalliierten die Option zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands. Dieses Angebot wurde zugunsten einer Westintegration und Wiederbewaffnung gegen den Widerstand in der Bundesrepublik verworfen.

Für das ehemalige Jugoslawien heißt das, daß ich mir im Schrebergarten zum Beispiel von einer Aufforderung der bosnisch-kroatischen Föderation an die serbische Bevölkerung ihre Machthaber zu überwinden und sich der Föderation anzuschließen, mehr versprechen würde als von einem Einsatz der Bundeswehr. Die serbische Bevölkerung kann nicht vollständig diesen Krieg befürworten, sollte um die Vorteile einer internationalen Anerkennung wissen und deshalb in der Lage sein, Widerstand für eine Föderation zu organisieren. Die Bundeswehr ist kein Konfliktlöser.

Wer sich im ehemaligen Jugoslawien einmischen will und nicht für die Idee einer wehrhaften Demokratie streitet, sollte das Kämpfen besser gleich lassen. Zwar wird sich kein Pazifist beschweren, falls mit Beteiligung der Bundeswehr gelingen sollte, die Kämpfe in Bosnien zu unterbinden. Aber der pazifistische Weg wäre nun einmal die Förderung der politischen Einigung. Und die wäre nach einer militärischen Unterbindung der Kämpfe zu einer dauerhaften Befriedung sowieso noch zu leisten. [...] Dirk Burchard, Bremen