Angelsachsen arbeiten billiger als Sachsen

■ Siemens baut für zwei Milliarden Mark eine neue Chipfabrik in Nordengland

München/Hamburg (dpa/taz) – Enttäuschung in Dresden, Eigenlob in Großbritannien: „Dies ist die größte High-Tech-Investition, die es jemals in Großbritannien gegeben hat. Sie bringt uns an die Spitze der Halbleiter-Technologie“, jubelte Michael Heseltine, Großbritannniens Vizepremierminister. Für zwei Milliarden Mark will der Siemens-Konzern in Newcastle, Nordengland, eine neue Chipfabrik hinstellen. Sie soll 1.500 Leute beschäftigen.

Über die Subventionen seiner Regierung schwieg sich John Majors Stellvertreter aus. In Bonn wiegelt Forschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) ab. Die Entscheidung sei „kein Votum gegen den Standort Deutschland“. Ist sie aber doch. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist sauer. Er könne die Entscheidung lediglich „respektieren“, ließ er mitteilen. Vor wenigen Monaten hatte der Christdemokrat den Neubau einer Halbleiterfabrik in Dresden als größten Erfolg seiner Landesregierung gefeiert. Das sächsische Siemenswerk geht zur Zeit gerade in Betrieb. Zwei bis drei Milliarden Mark, sagte ein Konzernsprecher am Freitag, sollen weiterhin in den „Kapazitätsausbau“ fließen, Zeitpunkt und Umfang der Investitionen hingen jedoch „von der Marktentwicklung“ ab.

Noch expoldiert die Nachfrage nach Computerbauteilen weltweit, asiatische Firmen produzieren jedoch weit billiger. In Newcastle will Siemens nun sogenannte Logikbausteine für Mobilfunk, Telekommunikation und Multimedia- geräte herstellen. Die Produktion soll bereits 1996 anlaufen.

Der Beschluß, dafür rund zwei Milliarden Mark zu investieren, sei „eine strategische Entscheidung“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Großbritannien sei der zweitgrößte europäische Halbleitermarkt, und Siemens müsse auch eine Fabrik vor Ort haben. Sie entsteht in einer von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Region. Bereits andere internationale Konzerne bauen dort Elektronikwerke, zum Beispiel Fujitsu Microelectronics (Japan), Samsung (Korea) oder Nissan (Japan). nh