Gelber Bannerstoff und lila Trikolore

Bundesweit 200.000 Unterschriften gegen Atomtests / Greenpeace und Grüne radelten gemeinsam / Protest vor Konsulaten der Atommächte / Enttäuschte Hoffnungen auf Spektakuläres  ■ Von Heide Platen

Frankfurt/Main (taz) – Erst kommen sie zu spät. Dann ist das 30 Meter lange Tuch für den schmalen Tapetentisch entschieden zu breit. Und bei jedem Windhauch bauscht es sich störrisch. Johannes Reinhartz zippelt hier und zuppelt da. „Niemand“, mault enttäuscht ein Schaulustiger, für den der Name Greenpeace Programm ist, „klettert wo rauf oder seilt sich ab“.

Auch wer Herrn Chirac seinen Protest persönlich zuschicken wollte, mußte warten: „Der Mann mit den Postkarten ist noch nicht da.“ Menschen, die dem Aufruf zur bundesweiten Unterschriftenaktion gegen die französischen Atomtests folgen wollten, irrten am Freitag in Frankfurt suchend über den Römerberg.

Zwischen Karussells und Popcorn-Buden verschwand der kleine Stand der Umweltorganisation fast völlig: „Keiner hat daran gedacht, daß Main-Fest ist.“ Und dann auch noch der empörte Aufschrei einer Umweltbewußten: „Das Tuch ist ja aus Plastik!“ Reinhartz zieht schon wieder am grellgelben Kleinkarierten und blickt belehrend über den Brillenrand: „Das ist Bannerstoff. Aus Nylon. Voll recyclebar.“

Und dann wirbelt eine Japanerin im kirschroten Kleid heran, freut sich, holt ihre Freunde und schreibt ihren Namen in zierlichen, kleinen Kästchen und Strichen. Der extra eingeladene japanische Konsul hatte auf die Teilnahme verzichtet: „Das war ihm wohl zu politisch.“ Eine fotografierende Reisegruppe gleicher Nationalität hat, da hilft kein Anbaggern, keine Zeit. Sie ist mit der Stadtführung schon im Verzug und hastet davon. Trotzdem kamen am Wochenende am Main 7.000 der bundesweit 200.000 Unterschriften zusammen, die dem französischen Staatspräsidenten in Paris überreicht werden sollen.

Wer dann am Samstag an der von Greenpeace und Grünen gemeinsam veranstalteten Fahrraddemonstration teilnehmen wollte, mußte erst vom falschen Treffpunkt zum richtigen radeln. Das gelang ungefähr 100 TeilnehmerInnen, die zur Begleitmusik von „Spiel mir das Lied vom Tod“ die Runde vom britischen über das US-amerikanische zum französischen Generalkonsulat drehten. Eine Cree-Indianerin wandte sich gegen den Uranabbau in Kanada, Reinhartz rechnete den USA die bis heute 330.000 Toten von Hiroshima und Nagasaki, 1.100 Atomtests und 140 noch in der Bundesrepublik gelagerte Atombomben auf.

Der Grüne Helmut Ulshöfer warf den Franzosen vor deren geschlossenen Rolläden eine „menschenverachtende Atompolitik“ vor. Er rief zur „politischen Isolierung“ Frankreichs auf. Im ersten Stock der kleinen Villa schlaffte die Trikolore müde in der Mittagshitze. Sie tat das in den verblüffenden Farben lila, weiß und rot. Der T-Shirt-Verkäufer ist Fachmann: „Schlechter Stoff verfärbt an der Sonne.“ Er verkaufte gesinnungsechte Kleidung: „Gegen Chiracs Atom-Terror“.

Ein dem Frankophilen zugeneigter Boykottgegner trug sich drastischer: „Nie wieder französisch!“ stand unter einem mit Baguettes durchkreuzten, kopulierenden Paar.