Kroatien feierte am Wochenende die Eroberung der Serbenhochburg Knin in der Krajina und die Befreiung Bihas im Nordwesten Bosniens. Offenbar hatten die Serben ganze Landstriche aufgegeben, so daß die kroatischen Truppen vorrücken konnten. D

Kroatien feierte am Wochenende die Eroberung der Serbenhochburg Knin in der Krajina und die Befreiung Bihaćs im Nordwesten Bosniens. Offenbar hatten die Serben ganze Landstriche aufgegeben, so daß die kroatischen Truppen vorrücken konnten. Die Bevölkerung ist sich aber der Gefahr serbischer Gegenschläge bewußt.

Zagreb feiert General Tudjmans Sieg

Diszipliniert und ruhig hatte sich die Bevölkerung bisher verhalten. Am Samstag abend jedoch waren die Einwohner Zagrebs wie elektrisiert, jubelnd fuhren die Leute auf offenen Lastwagen durch die Straßen der Hauptstadt – die Anspannung war vorüber. Unter dem Denkmal des kroatischen Freiheitskämpfers Ban Josip Jelacic versammelten sich Tausende im Stadtzentrum, um die Eroberung Knins und die Befreiung Bihaćs durch kroatische Verbände zu feiern. „Es ist ein historischer Tag für Kroatien“ sagte Präsident Tudjman am Abend.

Was an diesem Samstag passiert war, konnten die meisten Menschen zunächst gar nicht glauben. Als in Sisak, einer 50 Kilometer südlich von Zagreb gelegenen Frontstadt, die Nachricht von der Eroberung der Serbenhochburg Knin über den Rundfunk verkündet wurde, blickten sich die Gäste eines Cafés nur ungläubig an. Keiner rührte sich. Der Radioapparat wurde lauter gestellt. Erst als die Nachricht wiederholt wurde, löste sich die Stimmung, Erleichterung, Freude erfaßte die Gäste.

Für sie ist die Gefahr allerdings noch nicht vorüber, denn Sisak liegt weiterhin im Bereich serbischer Artillerie, die von den weiter südlich und westlich gelegenen serbisch besetzten Gebieten der Banjia aus die Stadt nach wie vor beschießt. Eindrücklicher Beleg dafür war am Samstag ein Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Café, das knapp eine halbe Stunde vor der spontanen Jubelfeier zerstört wurde. Die zwölf Kilometer entfernte Stadt Petrinja wurde von den kroatischen Truppen am Sonntag eingenommen. Die etwas weiter westlich gelegene Stadt Glina wurde, so erklärten kroatische Militärs, zwar umkreist, offenbar aber noch nicht erobert.

Gleich zu Beginn der Offensive am Freitag hatten die kroatischen Truppen einige der serbischen Raketenstellungen zerstört, die, in der Nähe von Petrinja und Glina aufgestellt, auf die Hauptstadt Zagreb gerichtet waren. In den ersten Stunden hatten es die kroatischen Verbände darauf abgesehen, es den serbischen Streitkräften unmöglich zu machen, die kroatische Hauptstadt mit Raketen zu beschießen. Dazu diente auch der Angriff gegen die Petrova Gora in der Lika – einer Region nördlich der Krajina –, wo schon am Freitag morgen Radaranlagen ausgeschaltet wurden, die für den Einsatz von Raketen wichtig sind. Am gleichen Tag um 17.00 Uhr schalteten zwei Nato-Flugzeuge die für das Raketenleitsystem ebenfalls wichtige Radaranlage bei dem Militärflugplatz Udbina in der Krajina aus. Schon vor der Offensive waren letzte Woche in Zagreb Spekulationen aufgetaucht, wonach Flugzeuge der USA diese Aufgabe übernehmen würden. Seit dem Wochenende nun scheint Zagreb vor Raketenangriffen aus der Krajina sicher zu sein. Und auch die Einwohnner der gefährdeten Küstenstädte Split, Zadar und Šibenik konnten aufatmen. Am Samstag wurde die ehemals mehrheitlich von Kroaten bewohnte Stadt Drnis zurückerobert, von wo aus serbische Artillerie und Raketen die dalmatinische Hauptstadt bedrohten. Mit der Eroberung von Benkovac östlich Zadars und Šibeniks sind auch diese beiden Städte sicher geworden; sie waren trotz des Waffenstillstandes und der UNO-Überwachung seit 1992 immer wieder beschossen worden. Besonders tragisch endete vor einem Jahr der Badeausflug mehrere Jugendlicher, als eine Granate sie auf dem Strand von Biograd in den Tod riß. Neuralgische Punkte bilden weiterhin die Region Dubrovnik und die ostslawonischen Städte Osijek und Vinkovci. In den von Serben besetzten Gebieten Ostslawoniens sollen am Samstag abend Raketen aus Serbien herangeschafft worden sein.

Daß Knin 30 Stunden nach Beginn der Offensive erobert werden konnte, überraschte sogar die kroatischen Militärs. Offenbar hatten die Serben ganze Landstriche aufgegeben, so daß die kroatischen Truppen unbehelligt vorstoßen konnten. Von Drnis im Süden aus und von Gospic im Norden sowie von den jüngst eroberten Stellungen im Osten gingen die Kroaten vor. Serbische Kasernen wurden sofort mit Artillerie belegt. „Deren Streitkräfte sind in Panik geraten, alles ging drunter und drüber“, berichteten Frontsoldaten, die am Samstag abend im kroatischen Fernsehen berichteten.

Der größte Teil der serbischen Zivilbevölkerung soll Berichten des kroatischen Fernsehens zufolge vorher evakuiert worden sein. Schon zu Beginn der vergangenen Woche waren etwa 20.000 Zivilisten über die noch offene Straße südlich von Bihać und nördlich von Grahovo nach Bosnien geflohen. Und seit Freitag wiederholte der serbisch-krajinische Rundfunk stündlich, die Bevölkerung solle nach Prijedor in Westbosnien fliehen. Die kroatischen Medien dagegen wiederholten regelmäßig den Aufruf Präsident Tudjmans, die serbische Bevölkerung solle bleiben und in ihren Häusern auf die kroatische Armee warten, niemandem werde etwas geschehen. Nach unbestätigten Berichten soll es kurz von der Eroberung Knins zu Schießereien unter den Serben gekommen sein.

Jubel dagegen gab es in der nordwestbosnischen Enklave Bihać. Der Belagerungsring ist gesprengt worden, kroatische und bosnische Truppen sind am Samstag nachmittag bei dem Ort Trcak zusammengetroffen. Mit der Einnahme Knins und der Befreiung Bihaćs ist jetzt auch der Weg nach Nordwestbosnien frei. Die kroatischen Streitkräfte sind mit dem Hilfeersuchen der bosnisch-herzegowinischen Regierung völkerrechtlich in die Lage versetzt, die serbischen Truppen auch in Bosnien zu verfolgen. Zwar sprechen kroatische Militärs schon offen von der Eroberung Nordwestbosniens unter Einschluß der Hauptstadt Banja Luka. Andererseits will man die Regierung in Belgrad nicht zu sehr provozieren. „Milošević kann aber die Krajina und die bosnischen Serben gar nicht mehr unterstützen“, erklärte ein kroatischer Militär. „Über den Posavina-Korridor können sie keinen Nachschub mehr heranschaffen, wir beschießen sie dort sofort.“ Erich Rathfelder, Zagreb