Bosnien-Pazifismus-Debatte IV
: Umdenken!

■ Über die Grundsätze des Pazifismus

In Nachkriegszeiten haben sich die Menschen stets darauf besonnen, daß nationale und internationale Konflikte nicht mit Kriegen zu lösen sind. Das gilt auch für Bürgerkriege. In Nachkriegszeiten bekommt der Pazifismus eine neue Chnce, von den unmittelbar „Kriegsbetroffenen“ ernstgenommen zu werden. Sobald jedoch die wirtschaftlich Mächtigen ihre Herrschaftsansprüche erweitern und international durch politische Machteinflüsse durchsetzen wollen, besinnen sich viele schnell wieder auf militärische Machtstrukturen zur Fortsetzung der Diplomatie mit kriegerischen Mitteln. Und man schreckt nicht zurück, Ideologien und ethnische Konflikte zur Grundlage und Begründung für den Ausbau der ressourcenverschlingenden Todesmaschinerien zu machen.

Der Pazifismus geht von einer völlig anderen Denkweise aus. Als ethisch-religiös verstandene Grundhaltung wendet er sich an den einzelnen und verlangt eine bedingungslose Friedensbereitschaft, die Gewaltanwendung ablehnt. Das schließt letztendlich die Kriegsdienstverweigerung ein. Ein Pazifismus, der auf die Beseitigung sozioökonomischer Kriegsursachen gerichtet ist, wird sich daher für einen Umbau gesellschaftlicher Verhältnisse einsetzen, um Konflikt- und Kriegsursachen zu vermeiden. Er wird sich für eine internationale Friedensordnung einsetzen, um vor allem die völkerrechtlichen Probleme zu lösen. Eine völkerrechtliche An- erkennung von Minderheiten, die es dabei zu regeln gilt, hat fast immer etwas zu tun mit den sozioökonomischen Verhältnissen und den Machteliten in den Konfliktregionen.

Die Deutschen befinden sich bereits wieder in einer „Vorkriegsphase 1“. Seit Jahrzehnten werden wir nicht auf zivile Alternativen umorientiert, sondern auf wirtschaftliche und militärische Machtausübung. Jahrzehntelange Debatten um einen Ost-West- und Nord-Süd-Ausgleich von großen Politikern, Wissenschaftlern und auch der Friedensbewegung geführt und angemahnt, sind inzwischen ganz auf der Strecke geblieben. Was zählt, ist die veröffentlich- te Meinung. Unter dem Alibi der Friedfertigkeit wird sie von vielen Medien verlogen geführt. Wir sind einseitigen Informatio- nen ausgeliefert und werden ständig mit gewaltorientierten Konfliktlösungen konfrontiert. Transportiert werden die regierungsamtlichen Verlautbarungen – überwiegend. Dagegen wird immer weniger über die zahlreichen kleinen Friedens initiativen in Ex-Jugoslawien berichtet, die sich über ethnische Grenzen hinweg für gewaltfreie Lösungen einsetzen. So wird z.B. über die kleinen Zeitungen und alternativen Radiosender, die vielen Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in unseren „friedfertigen“ Medien weder berichtet noch um Unterstützung geworben. Deserteure werden auch nicht aufgefordert, in der Bundesrepublik Schutz zu suchen. Daß nicht nur Söldnertruppen wieder einmal am Krieg Geld verdienen, sondern auch Bundeswehrsoldaten für ihren Einsatz zusätzlich besoldet werden, wird verschwiegen.

Es wird auch nicht darüber diskutiert, ob die für militärische Einsätze verschwendeten Mittel den pazifistischen Gruppen ein Vielfaches an Hilfe bedeuten und den friedlichen Widerstand und friedliche Lösungen bringen könnt. Vor allem aber müßte erneut in langwierigen Umdenkungsprozessen über Alternativen zu den klassischen Diplomatiestrukturen nachgedacht werden. Armin Stolle