■ Grüße aus Göteborg
: Gut ausgeschlafen

Sportlerinnen und Sportler, insbesondere wenn sie einen deutschen Paß haben, neigen in diesen frühen WM-Tagen dazu, morgens nicht aus dem Bett zu kommen. Richtig akut wird das Problem, wenn sie, wie der DLV-Leistungssportdirektor Frank Hensel sagt, „ein Problem mit der konkreten Leistungsdarstellung“ haben und in aller Frühe vor dem Pressetribunal reumütig Buße tun sollen. Das hat zum Beispiel die Olympiasiegerin Heike Drechsler (30) erwischt. Nachdem der Weitsprungtitel wg. div. Widrigkeiten mit Platz neun getauscht war, sprang der noch ungleich treuherzigere Noch-Schwiegervater Erich gestern morgen ein. „Was soll's, es ist passiert. Kommt vor“, sagte dieser. Um die Mittagszeit mußte Heike Drechsler aber dann doch ran, beim Ausrüster. „Das“, schwante dem schelmischen Erich schon, „wird Puma als Krisensitzung machen.“ Während die braven 3,5 Milliarden Patrioten zu Hause an den Bildschirmen und Kofferradios noch mit herkömmlichen Medaillenspiegeln genasführt werden, muß ein tatsächliches Team, das „World Team“ aus Herzogenaurach, knapsen: Drechsler-Gold futschi, Christie-Lack ab, die Nachfolger Bailey und May sagen, sie siegen, weil sie Produkte der Konkurrenz tragen.

*

Was zu beweisen ist, am Beispiel der 100m-Hürden- Weltmeisterin Gail Devers (29) mit ihren fast schon mythisch-roten Spikes. „Die Schuhe“, sagte sie ohne zu grinsen, „sind der Schlüssel zu meinem Erfolg.“ Die nämlich hat sie sich „extra anfertigen“ lassen. „VON NIKE!!!“

*

Sanfte Sade-Cocktailklänge müßten eigentlich heute abend zum 800m-Finale erklingen, denn mitmachen wird Nico Motchebon (25), und der ist, behauptet The Observer, ein „smooth German mover“. Eigentlich. Doch nicht stets. Im Halbfinale war der Berliner zwar Zweiter geworden, doch hernach kurzfristig disqualifiziert. „Junge, Junge, ey“, rief der da, „ich hab doch gar nichts gemacht.“ DLV-Präsident Digel mochte beim Videostudium „auch nichts erkennen“, und die Jury schloß sich dem an. Daß das Finale nun zu einem Duell zwischen dem Weltjahresbesten Wilson Kipketer (Dänemark) und dem Ex-Modernen- Fünfkämpfer würde, wie wieder der Observer prognostiziert, ist unwahrscheinlich. Wenn der Exil-Kenianer gegen etwas rennt, dann den ehrwürdigen Weltrekord von Sebastian Coe. Aber wie sich Motchebon locker und doch bestimmt durch Vorlauf und Semifinale gelaufen hat, war tatsächlich beachtlich. Da gelang es ihm, dem Feld seinen Willen aufzuzwingen. Und sein Tempo. Allerdings fehlt Erfahrung, denn „ich war heuer noch nicht in einem solchen Lauf“. Drei Dinge heißen hoffen: Nico Motchebon hat keine Probleme mit der konkreten Leistungsdarstellung, er ist jung. Und, wenn nicht alles täuscht: ziemlich ausgeschlafen. -pu-