Schimmelpilze sind das Letzte

■ Was braucht der Mensch? Eine Hitliste der wichtigsten Dinge im Leben

Berlin (taz) – Feuchte Wände sind das Schlimmste. Danach kommt das Außenklo, eine abgestellte Strom- und Wasserversorgung. Wer so lebt, ist wirklich ganz unten angekommen. Ein „sicherer Arbeitsplatz“ wird dagegen nur von zwei Dritteln der Bevölkerung als zum Leben „unbedingt notwendig“ betrachtet.

Wenn es um Armut geht, denkt der Mensch ganz praktisch. Das läßt sich aus einer Studie* der Bielefelder Soziologen Hans-Jürgen Andreß und Gero Lipsmeier schließen, die zwischen September 1994 und Januar 1995 rund 1.200 Haushalte in Ost und West nach den „notwendigen Dingen“ des Lebens und dem Mangel daran befragten.

Ganz oben auf der Liste steht die menschenwürdige Wohnung: „Keine feuchten Wände“, das eigene WC und Bad sowie ausreichende Gas-, Wasser- und Stromversorgung“ erachten mehr als 85 Prozent der Befragten als „unbedingt notwendige Dinge“. Über diesen Standard verfügen aber nicht alle. Immerhin lebt jeder 50. mit dem Schimmelpilz, fast ebenso viele können die Gas-, Wasser- und Stromrechnung nicht bezahlen. Annähernd jeder 25. hat nicht genug Geld, um „Miete/Zinsen“ tragen zu können.

Unter den befragten SozialhilfeempfängerInnen liegt dieser Prozentsatz erwartungsgemäß viel höher: Von ihnen erklärte jeder 15., in einer feuchten Behausung zu leben. Jeder siebte unter ihnen konnte ausreichend Gas, Wasser, Strom und Heizung nicht mehr bezahlen.

Nach der Wohnung kommt die Arbeit: Von den Erwerbsfähigen betrachten 82 Prozent einen Berufsabschluß, 65 einen „sicheren“ und 68 Prozent einen „gesunden“ Arbeitsplatz als „unbedingt notwendig“. Die meisten (94 Prozent) haben denn auch eine Ausbildung abgeschlossen – aber nur 55 Prozent meinen, ihr Job sei sicher.

Kinder sind bescheiden. Nur für 50 Prozent gehört Spielzeug zum notwendigen Lebensstandard, nur 30 Prozent halten ein Kinderzimmer für unabdingbar. Das sind weniger als jene 33 Prozent bei den Erwachsenen, für die ein Auto unverzichtbar ist. Die meisten (85 Prozent) der Befragten besitzen denn auch ein Auto, während nur drei Viertel aller interviewten Väter und Mütter meinen, der Nachwuchs brauche ein eigenes Zimmer. Die Unterschiede zwischen Ost und West in der Versorgung mit dem unbedingt Notwendigen sind übrigens laut Studie eher gering. BD

*erschienen in „Aus Politik und Zeitgeschichte“, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, 28. Juli 1995