Senat sucht nach Argumenten

■ Streit um Vogelschutz im Niedervieland III: Die Grünen stellten Kleine Anfrage, Bremer Senat lehnte den Vorschlag der Umwelt-Behörde ab

Eine kleine Anfrage der Grünen bringt das Umweltressort zum Schwanken und sorgt beim Senat offenbar für großen Wirbel. Die Grünen wollten vom Senat wissen, über welche Gebiete, die seinerzeit von dem ehemaligen Umweltstaatsrat Uwe Lahl an die EU als Vogelschutzgebiete gemeldet wurden, jetzt korrigierte Angaben nach Brüssel weitergegeben werden. Vor drei Wochen steckten die Grünen die Kleine Anfrage in den Briefkasten. Mittlerweile hat sich auch schon die Abteilung Umweltschutz und Frauen beim Umweltsenator mit dem Fragenkatalog befaßt. Doch die erarbeitete Vorlage für die gestrige Senatssitzung landete im Papierkorb. Die Senatskanzlei hatte kurz vor der Sitzung um eine zweiwöchige Verlängerung der Beantwortungsfrist gebeten. Der Punkt flog von der Tagesordnung. „Offensichtlich bringt die Anfrage den Senat in erhebliche Argumentationsnöte“, vermutet Dr. Elisabeth Hackstein, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. „Quatsch“, kontert Edo Lübbing, Sprecher beim Umweltsenator. „Das ist uns in der Urlaubszeit so durchgerutscht. Außerdem waren die Antworten auf nicht präzise genug.“

In der Tat wollen die Grünen es ganz genau wissen. Sie verlangen eine Auflistung der einzelnen Vogelschutzgebiete, deren Angaben korrigiert werden sollen, mit Größenangabe in Hektar. Sie fragen an, nach welchen Kriterien über die Korrektur entschieden wurde und welche Ausgleichsflächen geschaffen werden sollen. Darüber hinaus will die Partei wissen, welche Vogelarten in den Gebieten nachgewiesen wurden.

Die Antworten stehen in der vom Umweltressort bereits erarbeiteten und nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Vorlage: Für 1192 Hektar, die seinerzeit als Vogelschutzgebiete an die EU gemeldet wurden, sollen die Angaben korrigiert werden. Davon auch 536 Hektar im Niedervieland III. Dort sind laut Angaben des Umweltressorts Kormorane, Weißstörche, Bekassine, Goldregenpfeifer, Sumpfrohreulen, Eisvögel, Wanderfalke, Uferschnepfe, Brachvögel, Blaukehlchen, Rebhühner, Kiebitze und andere Vögel zu Hause. „Das sind alles hochgradig bedrohte Tierarten, deren Bestände in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen sind“, bewertet Michael Abendroth vom BUND diese Liste. „Das zeigt, welchen Ausverkauf zu Lasten der Natur die Große Koalition betreibt“, schimpft Elisabeth Hackstein. Auch die Rolle des Umweltressorts stößt der Bürgerschaftsabgeordneten sauer auf. Während in einem ersten Entwurf über die Änderung der Anmeldungen von Vogelschutzgebieten vom 21. Juni die Streichung des Niedervielands III klipp und klar abgelehnt wurde, wird sie in einer Senatsvorlage vom 3. Juli unter der neuen Umweltsenatorin Tine Wischer in Kauf genommen. „Das ist ein Hammer“, kritisiert Elisabeth Hackstein. „Das Umweltressort versteht sich in dieser Frage nur als Wurmfortsatz des Wirtschaftsressorts. Ich habe Verständnis dafür, daß sich jedes Ressort Mehrheitsbeschlüssen beugen muß. Wenn das Umweltressort aber jetzt nicht mal mehr seinen Protest anmeldet und für wertvolle Vogelschutzgebiete im Senat kämpft, fehlt mir jedes Verständnis. Außerdem seien laut Vorlage bereits 2,5 Millionen Mark für die Schaffung von Ausgleichsflächen ausgegeben worden. „Soll das jetzt alles für die Katz' sein“, fragt Elisabeth Hackstein.

„Natürlich nicht“, winkt Noch-Umweltstaatsrat Manfred Morgenstern ab. „Von den 2,5 Millionen ist nur ein kleiner Teil für die Vögel ausgegeben worden.“ Er versteht die Aufregung nicht. „CDU und SPD konnten sich nicht einigen. Deshalb passiert auf dem Gebiet erstmal gar nichts. Die Natur kann damit gut leben.“ Eine Anmeldung von Niedervieland III bei der EU habe die CDU strikt abgelehnt, weil damit die Weichen für ein Vogelschutzgebiet klar gestellt würden. Die Bundesländer haben einen Ermessensspielraum. Nur die geeignetsen Gebiete sollen gemeldet werden, betont Morgenstern. „Niedervieland III ist in den Augen des Senats geeignet, nicht aber am geeignetsen“, erklärt er den kleinen, aber feinen Unterschied von wenigen Buchstaben. „Über diese Entscheidung kann man zwar trefflich streiten, rein formal ist sie in Ordnung.“

Das sieht Elisabeth Hackstein allerdings anders. „Wenn die EG Niedervieland nicht als Vogelschutzgebiet ausweist, untergräbt sie ihre eigenen Richtlinien. Wir werden auf keinen Fall aufgeben“, kündigt sie an. „Spanien wurde vom Europäischen Gerichtshof dazu verdonnert, das Flußdelta Santoña als Naturschutzgebiet anzumelden. Im Niedervieland haben wir einen vergleichbaren Fall.“ kes