Niemals über 45 Sekunden

■ Michael Johnson: Per Geheimplan zum 400-Meter-Sieg

Göteborg (taz) – Ein Mann kommt mit mächtigem Vorsprung um die Kurve gebrettert und schaut sich um. Fast gelangweilt sieht das aus. Dann bremst er, erst ein bißchen, dann immer mehr. Weil dann immer noch keiner kommt, scheint es Mitte der Zielgeraden schon, als würde Michael Johnson (26) zum Stillstand kommen. Am Ende hat er dann sein 400 m-Halbfinale in 44,91 Sekunden gewonnen, doch auf den Tribünen bemitleiden sie ihn und sagen: Der arme Junge, wie er sich auch anstrengt, er kann einfach nicht über 45 Sekunden laufen!

Wenn man das Johnson hinterbringt, muß der lachen und ist gar nicht so gelangweilt wie alle sagen. „Ich habe einen Plan“, sagt er. Im Gegensatz zu allen anderen Plänen hier ist Johnsons aber nicht, so schnell wie nötig, sondern so langsam wie möglich zu laufen. Es geht darum, zu vollbringen, was, wie sein smarter Manager Bradley Hunt es formuliert, „noch nie ein Mensch auch nur probiert hat“. Etwas schlichter: Sowohl über 400 m als auch über 200 m zu gewinnen. Dafür muß der Texaner achtmal in sieben Tagen laufen. Gegner scheint er nicht zu sehen, allenfalls Mitläufer.

Gestern allerdings hat sich ein veritables Problem aufgetan. Was tun? „Das Finale ist Mittwoch“, sgate Johnson, „das ist in meinem Plan.“ Aber gestern war gar nichts, auch im Plan nicht. Eins wollte er am freien Tag vermeiden: in Göteborg rumzuspazieren. „Ich habe“, sagt er, „in Barcelona meine Lektion gelernt.“ Dort, so will es die Legende, hatte er sich beim Schlendern den Magen verdorben, weshalb er vor dem Finale ausschied. Die Legende ist von ihm.

Der US-Leichtathletik hingegen ist die Einführung unangemeldeter Kontrollen durch die IAAF gar nicht bekommen, und es ist unklar, ob der Verband sie konsequent durchzieht. Als die 100 m- Weltmeisterin Gwen Torrence gefragt wurde, wie oft man sie kontrolliert habe, wurde der Frager von deren Manager harsch abgestraft. Dessen Name? Bradley Hunt.

Daß er heute gewinnen wird, sieht der Plan schon mal eindeutig vor. Selbst wenn Weltrekord droht, will er sich nicht für die 200 m schonen. „Wenn ich mich danach fühle“, sagt er, „werde ich kein Risiko eingehen.“ Wie allerdings nach Plan nun genau gesiegt wird, ist „geheim“ (Johnson). Wenn danach Mister Hunt wieder allein „Fragen zur Leichtathletik“ zulassen will, wäre es aber nicht ganz aus der Welt, zu vermuten, daß eine Beantwortung der Frage „Wie oft wurden sie kontrolliert?“ auf die Spur des Geheimnisses führen könnte. Peter Unfried