Gesundes Essen, gesunde Kleider

Ein Sonnyboy mit sicherem Geschmack fürs Weltbürgerliche: Das Museum Wolfsburg zeigt im Rahmen seiner Ausstellung „Italienische Metamorphosen“ – nicht ganz einsichtig – Zeichnungen und Entwürfe des Modetheoretikers Wolfgang Joop  ■ Von Michael Stoeber

Wenn Museen ihre Hallen als Laufsteg für Modeevents freigeben, versuchen sie zumeist, ihre Etats aufzubessern. Aber das hat das Kunstmuseum der Autostadt Wolfsburg gar nicht nötig. Mit einem Jahresetat von 16 Millionen Mark ist es üppig alimentiert. Wenn Direktor Gjs van Tuyl trotzdem Mode ins Museum holt, meint er es vor allem ernst mit der Verflechtung von high und low art. Tatsächlich kann man die Parallelen im Formenvokabular zwischen freier und angewandter Kunst kaum besser aufzeigen als in der vom New Yorker Guggenheim Museum übernommenen Ausstellung der „Italienischen Metamorphosen“, die gegenwärtig in Wolfsburg zu sehen ist. Zu diesem Kunstpanorama aus der Zeit zwischen 1943 und 1968 wollen die Zeichnungen, Skizzen und Entwürfe des Modemachers Wolfgang Joop, die parallel unter dem Titel „Änderungen“ vorgestellt werden, nur schlecht passen.

Die Begründung für eine Joop- Präsentation bleibt fadenscheinig. 1968 – in dem Jahr, mit dem die Metamorphosen-Ausstellung endet – beginnt Joop sich während seines Kunststudiums im benachbarten Braunschweig, beeinflußt von seiner damaligen Frau Karin, für Mode zu interessieren. Die beiden gewinnen einen Designwettbewerb, und bald folgen Angebote italienischer Firmen, an ihren Kollektionen mitzuarbeiten.

Joop, der, wo er geht und steht, zeichnet und skizziert, ist ein begabter Kopist. Das hat er schon als Student unter Beweis gestellt mit der Verfertigung von Blumenstillleben im Stil alter holländischer Meister, mit denen er damals weitgehend sein Studium finanzierte. Geschickt weiß er den weichen, fließenden Strich eines Schiele zu adaptieren oder auch in der entblößenden Manier eines Karikaturisten zu arbeiten.

Er ist ein touché à tout, dem alles scheinbar leicht von der Hand geht. Nur hat die Mode des ewig lächelnden Sonnyboys keinen wirklich innovativen Impetus. Geschmackssicher recycelt Joop, was andere vor ihm gedacht und entworfen haben, und was dabei herauskommt, gefällt der gutverdienenden Mittelschicht, die sich durch ihn ähnlich wie durch Jil Sander immer korrekt angezogen fühlt.

Seine tragbare Mode adelt Joop durch eine „Philosophie“, wobei sein aufmerksames Ohr stets registriert, was der Zeitgeist raunt. Was er da hört und erfährt, ist nicht immer dumm. Zum Beispiel die Einsicht, daß das wichtigste Design der eigene Körper sei, man diesen durch Sport und gesunde Ernährung zu shapen habe und daß es dann möglich sei, eigentlich alles zu tragen. In diesem Sinne wirbt der 51jährige mit der wohlgestalteten Figur eines Enddreißigers auch am liebsten mit dem eigenen Körper und dem groß ins Bild gerückten Signet des eigenen Namens für seine Kreationen.

Joop-Mode repräsentiert und verkauft sich durch Haltung, überstrapazierte Begriffe wie Authentizität und Mobilität gehören dazu. Daß es vor allem für die Deutschen darum gehen müsse, ihre neurotische Angst vor Veränderung und vor Neuem zu überwinden, weil einen „Ungemach im heimischen Sessel ebenso wie draußen in der Welt treffen könne“. Daß Männer Gefühle zeigen dürfen und Frauen männliche Stärke. Modisch äußert sich das bei Joop zum Beispiel im Angebot fliederfarbener Anzüge für die Herren, deren Hosen Hochwasser ziehen und die verspielt Mitte der unteren Wade enden oder in strengen, maskulin geschnittenen, gedecktfarbigen Busineßkostümen für die Damen. Als Missionar wohlformulierter wie wohlfeiler Botschaften hat es Joop inzwischen geschafft, mit seinen Kollektionen und zwölf in Lizenz vergebenen Produkten, die unter seinem Namen verkauft werden, mit nur 25 Mitarbeitern einen respektablen Jahresumsatz von 400 Millionen Mark zu erwirtschaften.

Zur Eröffnung kam der Modemaestro extra aus New York in die niedersächsische Provinz nach Wolfsburg. Denn auch ein Joop, inzwischen als Lehrbeauftragter an Hochschulen in Berlin und Moskau tätig, erlebt die Nobilitierung seines Schaffens durch ein Museum nicht jeden Tag. Vorsorglich waren Eintrittskarten verkauft worden, statt der zugelassenen 1.000 Besucher hätte man nach Auskunft der Museumsleitung auch 5.000 Karten verkaufen können. Fürs Ticket gab es als Gegengabe nicht nur das Joop-×uvre zu besichtigen, sondern auch eine Show mit Talkonkel Alfred Biolek und der von Joop entdeckten und gepushten Diseuse Desiree Nick sowie eine kleine Modenschau. Wie üblich hatte Biolek fleißig Zitate von Joop gesammelt, die er dem Modeautodidakten zur Kommentierung rücküberwies, damit dieser erklären sollte, was nicht erklärungsbedürftig war. Und von der Berliner Diseuse gab's die üblichen Sottisen. Dennoch, das Publikum ertrug's zufrieden, um so mehr, als jeder für sein Eintrittsgeld auch noch mit einer üppig bemessenen Probe des Joopschen „Berlin“-Parfums für den Nachhauseweg bedacht wurde.

Joop: „Änderungen“. Bis 13. 8. im Museum Wolfsburg.