■ Mit der IG Farben i. A. auf du und du
: Der untote Konzern

Berlin (taz) – Schon seit über 40 Jahren wird die IG Farben abgewickelt. Wann der Konzern endlich verschwindet, ist jedoch nach wie vor unklar. Nachdem Liquidator Ernst-Joachim Bartels im Sommer 1989 noch das Ableben der Aktiengesellschaft innerhalb der nächsten fünf Jahre vorhergesagt hatte, weil alle Forderungen entweder eingetrieben waren oder als unerreichbar galten, führte der Mauerfall zu neuen Perspektiven. 151 Millionen Quadratmeter Grundbesitz in der Ex-DDR wollte die IG Farben in Abwicklung wiederhaben – Immobilien, die Ende 1944 rund eine Milliarde Reichsmark wert gewesen waren und die IG Farben zum größten Grundbesitzer der Bundesrepublik gemacht hätten. Die Börsenkurse explodierten: Wurden die Papiere kurz vorher noch für 12 Mark gehandelt, waren sie wenig später bis zu 32,90 Mark wert.

Doch die Sowjetunion machte der IG Farben i. A. einen Strich durch die Rechnung, denn alle Enteignungen der Zeit zwischen 1945 und 49 sollten unumstößlich bleiben. Nur unter dieser Voraussetzung wollte Gorbatschow der deutschen Einheit zustimmen. Deshalb lehnte das Verwaltungsgericht Halle die Restitutionsansprüche ab, die der Konzern wenige Tage nach dem Ende der DDR beim Liegenschaftsamt in Merseburg gestellt hatte. Doch die IG-Farben-Liquidatoren witterten dennoch die Chance für einen großen Reibach: Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 1991 entschieden, daß die zwischen 1945 und 49 Enteigneten zwar ihren alten Besitz nicht zurückbekommen sollten, aber entschädigt werden müßten. Prompt gab es einen erneuten Run auf die Aktien der IG Liqui, wie der Konzern im Börsenjargon heißt. Das im Dezember 1994 in Kraft getretene Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz (EALG) schreibt jedoch vor, daß Leistungen dann nicht gewährt werden, wenn das „enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen (...) oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System (...) erheblichen Vorschub geleistet hat.“ Der Sprecher des Finanzministeriums hält das für eindeutig: „Die IG Farben i. A. kann und wird nichts bekommen.“

Doch die Liquidatoren und mit ihnen der im letzten Herbst in den Aufsichtsrat gewählte Ex-Verkehrsminister und Mitautor des Einigungsvertrags, Günther Krause, wollen noch nicht aufgeben. Fristgemäß haben sie Anträge auf Ausgleichsleistungen gestellt und dies auch den AktionärInnen empfohlen. Außerdem ist noch eine Beschwerde der IG Farben i. A. beim Bundesverfassungsgericht anhängig, über die vor Jahresende entschieden werden soll. Es geht um die Frage, ob die IG Farben 1945 enteignet oder das Vermögen nur beschlagnahmt wurde. Im letzten Fall würde die IG Farben nicht unter das Gorbatschow-Gesetz fallen, argumentieren die Liquidatoren. Annette Jensen