Zug zum Introvertierten

■ Der kubanische Pianist Gonzalo Rubalcaba in Hamburg

Auf der karibischen Insel Kuba mangelt es nicht an Musikern, die sich auch in fernen Ländern einen Namen erarbeitet haben. Es gibt allerdings zwei Kategorien von Musikern kubanischer Herkunft: die einen, die auf der anderen Seite des Meeres auftauchten und in der kubanischen Exil-Gemeinde in Miami und in der New Yorker Musikszene für Furore sorgten; die anderen blieben der Zuckerinsel – aber nicht unbedingt Castro – treu. Gelegentlich hatten sie die Gelegenheit, mit renommierten Musikerkollegen zu musizieren.

Auf einem solchen Festival in Havanna entdeckte der Bassist Charlie Haden im Jahr 1986 den damals 23jährigen Pianisten Gonzalo Rubalcaba. Ergebnis des Zusammentreffens war eine Tournee mit Beteiligung des Schlagzeugers Paul Motian. Die später aufgenommene Platte Live at Montreux dokumentiert diese Fusion.

Rubalcabas Kompositionen haben mit gewohnten Latin-Jazz-Rhythmen wenig gemeinsam. Die melodischen und manchmal melancholischen Kompositionen des schüchtern wirkenden Familienvaters sind von den „traditionellen“ Rhythmen wie Rumba und Salsa so weit entfernt, wie der FC St. Pauli von der Deutschen Meisterschaft. Seine Tondichtungen tendieren in die Richtung improvisierter Jazz und sind – wohl oder übel – zu sophisticated, um dem „maximo leader“ von politischem Nutzen zu sein.

Gonzalo Rubalcaba stammt aus einer Familie, die viele Musiker klassischer und traditioneller Musik vorzuweisen hat. Seine musikalische Ausbildung begann er mit acht, und als Zehnjähriger studierte er Thelonious Monk und Bill Evans. Später graduierte er am staatlichen Konservatorium in Havanna. Gleichzeitig verkehrte er in den einschlägigen Jazz-Klubs der Hauptstadt, wo die bekannteren Musiker wie Paquito D'Rivera, Arturo Sandoval und Chucho Valdez mit ihrer Gruppe Irakere die Szene beherrschten. Und obwohl Gonzalo Rubalcaba mit Irakere auf Tour ging, zog es ihn aus tanzbarem in introvertiertes Gefilde – was allerdings nicht heißen soll, daß seiner Musik der Groove fehlt.

Die Zusammensetzung der Kompositionen auf seinen Aufnahmen ist eine Mischung aus eigenen Stücken sowie Arrangements von Kompositionen US-amerikanischer Jazzer wie Charlie Haden, Ornette Coleman oder Bill Evans.

Nur einen Traum sah er noch nicht in Erfüllung gehen: auf den Bühnen aufzutreten, wo seine Idole einst gestanden hatten. Wegen des US-Embargos bekam er noch kein Visum, um auf der anderen Seite des karibischen Meeres aufzutreten. Mit seiner Cuban Group – mit Trompete, Baß und Schlagzeug Begleitung – tritt er heute in Hamburg auf.

Niko Theodorakopulos

Heute, 21.30 Uhr, Fabrik