„Es gibt keine Geschichte“

■ Entfernt sich von klassischer Narration, erkundet eigene Bilddynamiken: Im Metropolis läuft Jean-Luc Godards Passion

Über Jean-Luc Godards Film Passion zu schreiben, der in den kommenden Tagen im Metropolis zu sehen ist, das erfordert zuallererst, eine Frage zu beantworten: Wie über einen Film sprechen, der sich gerade vom Wort, der Schrift und der klassischen Narration entfernt, um sich systematisch auf Bilder (und Töne) zu konzentrieren? Wie etwas über Passion sagen, wenn jede Inhaltsangabe oder erzählende Zusammenfassung des Films zum Scheitern verurteilt ist beziehungsweise ihm ein verfälschendes Korsett aufzwänge? Ein Korsett noch dazu, daß als solches durchaus Thema des Films ist. Immer wieder fällt in den Dreharbeiten des Regisseurs Jerzy, um die es in Passion unter anderem geht, die Frage: „Was ist das für eine Geschichte?“; und die Antworten darauf ergeben nichts, was üblicherweise für eben eine Geschichte ausreichen würde.

Eine Geschichte aber verlangen die Geldgeber des Films, und genauso, wie Jerzy dadurch Probleme mit seiner Arbeit bekommt, hat auch Isabelle als Arbeiterin Schwierigkeiten mit ihrem Chef Michel und dieser Differenzen mit Hanna, seiner Frau. Einmal mehr werden Liebe, Arbeit, Kino ein Thema Godards, das sich hier in, um und hinter Bildern findet. Regisseur Jerzy dreht in nachgestellten Gemälden von Malern wie Goya, El Greco oder Rembrandt, in Tableaus vivants, das heißt vor, hinter und in ihnen. Und so, wie die Verbindung dieser lebenden Bilder den zusammenhangstiftenden Zuschauerblick benötigt, ist auch für die Montage Godards die sinnhafte Verbindung erst zu entdecken. Sie ergibt sich nicht ohne weiteres aus einer klassisch-narrativen Verkettung der Bilder, aus dem Erzählen einer Geschichte. Eben jene Verbindung der Bilder, die Relation, das „und“ ist selbst Thema, so wie auch die Beziehungen des Tons zum Bild und wie die Verknüpfung von Liebe, Arbeit und Kino.

Wenn es also um die Verbindungen und Relationen geht, geht es um Bewegung, die dadurch entsteht, und damit um Kino selbst. Genau das findet sich auch in den Bildern El Grecos wieder – auch wenn sie hier nur nachgestellt auftauchen –, denn auch in ihrer inneren Aufteilung findet Bewegung statt, und so sind sie quasi selbst bewegte Bilder. Immer wieder steht hier die Parallele zwischen Malerei und Film der Verwandtschaft von Film mit Sprache und Schrift provozierend gegenüber.

Die Erkundung der „eigenen“ Dynamik von Bildern kann in Passion beobachtet werden, wobei Produktionsverhältnisse als solche mitgedacht, -gesprochen und -gezeigt werden müssen. Jerzys Problem mit den Geldgebern hat da keine geringere Relevanz als Isabelles Kampf mit dem Fabrikbesitzer Michel – im Gegenteil: Es gilt sie zu verbinden. Mit diesem Blick auf Verbindungen zu schließen heißt jedoch eigentlich erst, einen Prolog vor dem Film zu beginnen.

Jan Diestelmeyer

Fr, 11. 8, bis Mi, 16. 8., Metropolis