■ Read.Me
: Skandal um Karasek

Man nehme ein paar bekannte Fernsehnasen, gebe hauseigene Schreiberlinge hinzu und würze das Ganze mit einigen Federn aus der freien Wildbahn. Die Masse gut verrühren, und schon ist's fertig, das Spiegel-Special-Heft rund um die Flimmerkiste – „rechtzeitig zur Funkausstellung“. (Was war eigentlich noch mal der Anlaß für das Special über Liebe? Etwa der Mai?) Knapp 150 Seiten Grundversorgung in Sachen Fernsehen. Wissenswertes (unter anderem über TV-Macher in Rußland und Brasilien) neben Altbekanntem (wie funktioniert ein Teleprompter?) und Belanglosem. So etwa ein wahnsinnig witziges („wie ein schwuler Krawattenverkäufer“) Porträt von Dieter Thomas Heck (fünf Seiten!) oder ein grundlos ausgewalzter Scherzartikel über Dauerglotzen als letzte Chance, die Welt vor dem Öko-Kollaps zu retten. Und wer nicht zwei Bücher über die Nazis und das Fernsehen lesen will, bekommt sie hier als Superkonzentrat. Service für Eilige.

Der unvermeidliche Roger Willemsen erklärt, daß die TV-Nachrichten nicht die wirkliche Wirklichkeit wiedergeben (wer hätte das gedacht?), und Thomas Gottschalk demonstriert im Interview, daß er dem späten Roy Black immer ähnlicher wird. Der jammerte auch ständig über den selbstfabrizierten Schwachsinn, wollte aber partout nicht davon lassen.

Warum Wolfram Bickerich seinen Text über Shows und Soaps schon vor Weihnachten abliefern mußte – zumindestens legt seine Auflistung „aktueller“ Programme dies nahe –, bleibt leider so rätselhaft wie die Entscheidung, einen Küppersbusch-Artikel, der schon vor einem Jahr bei rororo erschienen ist, noch einmal zu recyceln. Und daß ausgerechnet Hellmuth Karasek über die „Vertreibung des Skandalösen aus den Talkshows“ lamentiert, ist schon drollig. Könnte der Mann, der doch für so ziemlich jede Fernsehquasselrunde eine Dauerkarte hat, ja was gegen tun (vielleicht Reich- Ranicki mal überfallartig am Sack kraulen?). Oder sollte sich Karasek am Ende nur als Dauertalker zur Verfügung stellen, weil er sich per se für ein Skandalon und somit für unverzichtbar hält?Reinhard Lüke

Spiegel-Special „TV-Total“, an jedem guten Kiosk für 7,50 DM