Das Portrait
: Miloevis Mann

■ Ratko Mladic

Ratko Mladić ist die militärische Schlüsselfigur des Balkankriegs. Unter seinem Kommando brachten die Serben ein Drittel Kroatiens und etwa 70 Prozent des bosnischen Territoriums unter ihre Kontrolle. Ratko Mladić gilt als enger Verbündeter des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević und genießt auch heute dessen Rückendeckung im Streit mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić. So wird Mladić für die jüngste Niederlage in der Krajina von Belgrad nicht verantwortlich gemacht, obwohl es ein offenes Geheimnis ist, daß Mladić selbst es war, der für den Angriff auf die ostbosnischen Enklaven Srebrenica und Žepa vor vier Wochen Truppen von den Frontstellungen um die Krajina abzog und so den Kroaten den leichten Sieg ermöglichte.

Am brutalen Vorgehen seines Generals scheint Milošević nichts Verwerfliches zu finden, und doch ist es Mladić, dem das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher rechtfertigt seine Taten mit einer angeblichen Verschwörung der Deutschen und des Vatikans, die einen „Genozid am serbischen Volk“ planten. Um dem zuvorzukommen, sei die „Sicherung des Lebensraums“ vorrangiges Ziel aller Serben. Woher der heute 51jährige Mladić seine Weltsicht hat, ist unklar – doch vielleicht hängt sie mit der eigenen Familiengeschichte zusammen. Seinen Vater General Ratko MladićFoto: Reuter

Nedja hat Ratko nie kennengelernt, er starb, als dieser zwei Jahre alt war, auf seiten der kommunistischen Tito- Partisanen im Winter 1944/45 im Kampf gegen deutsche und kroatische Faschisten. Die Mutter zog die vaterlosen Kinder unter erbärmlichen Umständen auf, sie soll sich nach Belgrader Presseberichten als serbische Tagelöhnerin bei muslimischen Großgrundbesitzern in Bozinovici verdingt haben.

Zumindest bis zum Zusammenbruch Jugoslawiens war Mladić ein unbeschriebenes Blatt, auch Verbindungen zu rechtsextremen Serbenkreisen konnten ihm nicht nachgesagt werden. Da man so wenig über den General weiß, herrscht an Gerüchten und Legenden kein Mangel. Während ihn die Bosnier als „Schlächter“ titulieren, der eigenhändig Gefangene erschossen und erdolcht habe, verehren ihn serbische Balladenschreiber. In einem Kampflied heißt es: „Der Wind bläst schneidend durch das Tal, Ratko, komm und erlös uns von der Qual!“ Karl Gersuny