Bewährung für Modrow

■ Dresdner Gericht blieb hinter den Forderungen des Staatsanwalts zurück

Dresden (taz) – Der ehemalige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow ist wegen Anstiftung zur Wahlfälschung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Zusammen mit dem PDS-Ehrenvorsitzenden verurteilte die 4. Strafkammer des Dresdner Landgerichts am Mittwoch abend drei weitere ehemalige SED-Funktionäre wegen der Fälschung der DDR-Kommunalwahlergebnisse vom Mai 1989. Die mitangeklagten Günter Witteck, Lothar Stammnitz und Siegfried Neubert erhielten ebenfalls mehrmonatige Freiheits- beziehungsweise Geldstrafen. Damit lag das Urteil weit unter den Plädoyers der Staatsanwaltschaft. Die hatte gestern Freiheitsstrafen von 14 Monaten für Modrow und den Ex-Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Witteck, sowie zehn und sieben Monate für die ehemaligen Sekretäre der SED-Bezirksleitung, Stammnitz und Neubert, gefordert. Diese Strafen sollten laut Staatsanwaltschaft zur Bewährung ausgesetzt werden. Zudem sollten die Angeklagten Geldstrafen zwischen 5.000 und 3.000 Mark entrichten. Dem gab das Gericht nicht statt.

Ein Hilfsantrag der Staatsanwaltschaft hatte das Revisionsverfahren gestern überraschend noch einmal verzögert. Für den Fall, daß die 4. Strafkammer am Landgericht Dresden unter Richter Thomas Spiegelhalter die vier Angeklagten nicht zu Freiheitsstrafen verurteile, beantragte die Staatsanwaltschaft, auch die dem damaligen SED-Bezirkssekretär vorgeworfene Manipulation der Wahlergebnisse in der Stadt Dresden neu zu verhandeln. Nachdem die Staatsanwaltschaft selbst eine Teileinstellung dieses Verfahrens in der strittigen Frage betrieben hatte, setzte der aus der Revolvertasche gezogene Antrag die Kammer unter zusätzlichen Druck.

Modrow-Anwalt Friedrich Wolff bezeichnete das Revisionsverfahren als „Prozeß der kleinen Spielräume“. Der BGH habe Grenzen gezogen für die Kammer, Modrows Spielraum sei klein gewesen zur Tatzeit. Wolff plädierte dafür, „den Spielraum zu nutzen“ und beantragte, „von einer Bestrafung abzusehen“. Detlef Krell