Keine Prozesse in Prag

■ Staatsanwälte weisen Anklageschrift gegen ehemalige KP-Funktionäre zurück

Prag (taz) – Der früheren Generalsekretär der KP der Tschechoslowakei, Miloš Jakeš, muß sich jetzt doch nicht wegen seiner Rolle bei der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 vor Gericht verantworten. Der tschechische Generalstaatsanwalt bestätigte nun eine Entscheidung der Prager Staatsanwaltschaft vom Montag, wonach die von der untersuchenden Behörde eingereichte Anklageschrift unvollständig sei. Daher könne es vorerst nicht zu einer Anklage kommen.

Der Sprecher der „Behörde für Dokumentation und Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus“, die in der vergangenen Woche die Anklageschrift gegen insgesamt fünf ehemalige KP-Funktionäre erstellt hatte, kritisierte die Entscheidung scharf. Ihre Schrift sei präzise formuliert worden, der eigentliche Grund für die Ablehnung der Klage „sei ein anderer“. Was darunter zu verstehen sei, sagte der Sprecher nicht. Klar ist jedoch, daß er der Staatsanwaltschaft politische Befangenheit vorwirft. Dem gleichen Vorwurf ist freilich auch die Behörde ausgesetzt, ihre Gegner werfen ihr eine zum Teil gesetzeswidrige Vorgehensweise vor.

Die einstweilige Einstellung des Strafverfahrens bedeutet laut Generalstaatsanwaltschaft nicht, daß dieses Kapitel der tschechischen Geschichte nun endgültig abgeschlossen ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Prozesses gegen frühere KP-Funktionäre wird jedoch immer kleiner. Selbst Juristen ist nicht klar, auf welche Paragraphen die Aufklärungsbehörde ihre Anklage eigentlich stützt. Die Getreuen Moskaus hätten im Sinne der damals gültigen Verfassung gehandelt, in der Landesverrat als Zerstörung der sozialistischen Ordnung definiert war. Eben diese sollte mit Hilfe der Bruderstaaten jedoch gerettet werden.

Zweifel an der juristischen Durchführbarkeit des Prozesses äußerten inzwischen auch der ehemalige Reformkommunist Zdeněk Mlynář und Ex-Premier Petr Pithart. Seitdem das Parlament 1993 die Verjährung von vermeintlichen Verbrechen der Kommunisten aufhob, kam es zu keinem einzigen Prozeß. Katrin Bock