Äsen bei Kerzenlicht

■ Wenn der Bauer mit dem Dildo... Die ganze Wahrheit über Kontaktanzeigen auf dem Lande Von Christoph Ruf

Zwei Freundinnen wollten eigentlich nur einen gemütlichen Abend verbringen, doch dann hielt die Männerwelt Einzug in die sektgeschwängerte Atmosphäre eines beschaulichen Hetlinger Anwesens: In der Absicht, neue Aspekte des unerschöpflichen Themas „Männer sind doof“ zu finden, war Cordula B.s Blick über die Kontaktanzeigen im lokalen „Tageblatt Tip“ geschweift und über den Satz „Dildoträger sucht devote sie“ gestolpert.

Als Cordula herausgefunden hatte, daß es sich bei einem Dildo u. a. um eine handliche Krücke für ermattete und/oder zu kurz gekommene Männer handelt, beschloß sie, gleichfalls eine Chiffre-Anzeige aufzugeben: „Zwei Hunde, eine Katze und ein Pferd habe ich schon. Was mir zu meinem Glück noch fehlt, bist Du“, so die bösartige Retourkutsche, später noch um den Zusatz „gerne Landwirt“ ergänzt. Begründung für diese ungewöhnliche Form anthropologischer Studien: „Ich wollte einfach nur wissen, ob es auch normale Männer gibt.“

„Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, daß mir überhaupt einer schreibt“, war Cordula sicher. Neun Antwortbriefe überraschten nicht nur quantitativ: „Kein einziger Brief, der nicht von Rechtschreibfehlern gewimmelt hätte“.

Ein holsteinischer Landwirt eröffnete ihr, er sei „25 Jahre, mittelblond und mit den Schultern zum Anlehnen“. Allerdings sei das Angebot an gewisse Verhaltensregeln gebunden: „Du must aber wie ich Ehrlich und Treu sein“. Versöhnlicher dann der Zusatz: „Ich habe auch keine Angst vor Entfernung denn Partnerschaften gehen oft weite Wege – Oder?“ Ein anderes 29jähriges maskulines Wesen, das „Fliesenleger gelehrnt“ hatte, legte in weiser Selbsterkenntnis vorsorglich ein Foto von anno 1981 bei.

Chancenlos auch der selbstbewußte Kandidat, der seine schwärmerische Offerte besonders stilvoll einleitete: „Auf Ihr intresantes Inserat möchte ich Sie freundlicherweise entgegenkommen“. Verlockender hingegen der Hinweis: „.. rauche und trinke nicht mehr als es sich gehört. Wer mit Erfolgt arbeitet, hat auch allen Grund dazu sich einmal echt schick zumachen“. Doch ein Rückfall in Sprachverwirrungen bestätigte den negativen Gesamteindruck: „Ich kann Sie echt etwas bieten, scheue keine Konkorenz“. Wenig verwunderlich, daß kaum eines der Traktate das negative Männerbild der Cordula B. korrigieren konnte. „Fast jeder schreibt, daß ihm die 'Degge' auf den Kopf fällt. Und das Romantischste, was ihr Männer Euch vorstellen könnt, scheint ein 'Esen' bei Kerzenschein zu sein.“

Und während der taz-Schreiberling beschließt, soeben erstandene Kerzen schleunigst im Müll zu entsorgen, klingelt das Telefon, und Cordula erklärt augenzwinkernd, sie werde „nächste Woche wohl mal aufs Land fahren“. Und endlich kommt der beinahe versöhnliche Satz über ihre Lippen, den die erbitterte Grundsatzdiskussion über die Frage „faseln Männer oder Frauen zuerst von Hochzeit?“ ihr nicht entlocken konnte: „Okay, ein Brief war ganz nett. Vielleicht ist ja doch nicht jeder Mann ein Schwein.“ Danke, Cordula.