■ Nachgefragt: „Nur Auftragnehmer“
Jochen Leinert, seit Anfang 1994 kaufmännischer Betriebsleiter der BEB, führt den städtischen Betrieb in die wirtschaftliche Eigenständigkeit. Am Donnerstag drohte Henning Scherf dem ehemaligen Managementberater einen Sanierer ins Haus zu schicken, wenn Leinert nicht die finanziellen Probleme der BEB löse.
taz: Herr Scherf hat gesagt, daß die „BEB zu schlecht und zu teuer sind“.
Jochen Leinert: Der Personalrat und ich waren doch sehr getroffen. Denn um „schlecht und teuer“ zu analysieren, muß man natürlich mehr wissen. 1. haben wir hier einen Betrieb der 50 Tonnen abfährt, der Plätze mit anderen Sammelsystemen sauber hinterläßt. Und zum anderen „teuer“: Das ist relativ, wenn man bedenkt, daß wir seit Herbst 1994 reorganisiert haben. Was wir vom Management beeinflussen können, haben wir bereits getan und so die Kosten abgesenkt, so daß z.B. die Personal- und Sachkosten im Trend nach unten gehen. Außerdem bauen wir Personal ab, von unserer gegebenen Zielsetzung von 170 Mitarbeitern bis 1996 haben wir über 80 Mitarbeiter abgebaut. Dennoch steigen die Gesamtkosten. Die Zinsen und Abschreibungen können wir nämlich nicht beieinflussen. Die kommen jetzt als Ausfluß der ausschließlich politischen Entscheidungen über die Großinvestitionen, wie z. B. die 10 Millionen für die neuen Rolleimer samt Sammelsystem.
Die finanziellen Probleme der BEB sind seit der veröffentlichten Bilanz –94 bekannt. Gibt es ein neues Finanzloch?
Es gibt gar nichts Neues. Ich weiß auch gar nicht, warum Herr Scherf gerade zu diesem Zeitpunkt darauf kommt. Zumal wir in den nächsten Tagen unseren Wirtschaftsplan –96 vorlegen, wo sich die Entwicklungen ganz genau ablesen lassen, die jetzt ja nur vermutete werden und die in der Tat auch nicht richtig sind. Die Misere ist nicht so sehr Misere, denn wer unsere Bilanz nicht lesen kann, der sieht dort 36 Millionen Gewinn, den wir an die Stadt abführen müssen. Wenn das nicht so wäre, hätten wir immer noch 3 Millionen Mark Gewinn. Den angeblich „desolaten Zustand“ der BEB kann ich nicht nachvollziehen. In solchen Zeiten muß vielleicht auch mal der Eigentümer (die Stadt, d. Red.) zurückstecken.
Das Defizit ist also ein Problem der Politik?
Nicht ganz. Wir haben aufgrund der Umweltschutzgesetzgebung investieren müssen. Es kommt jetzt, was man verdrängt hat. Wir haben immer darauf hingewiesen: Wenn das und das investiert ist, schlägt sich das in höheren Gebühren nieder. Letztes Jahr haben wir schon angekündigt, daß wir in 1996, 97, 98 die Gebühren erhöhen müssen. Und die Prognosen damals lagen noch höher, als wir sie jetzt brauchen. Als Vorwärtsstrategie müssen wir unsere Kapazitäten wieder besser auslasten.
Da sind Ihnen doch die Hände gebunden.
Ja, wir haben hier unsere Statuten. Wir sind kein selbständig handelndes Unternehmen, wir sind ausschließlich Auftragnehmer der Politik.
Wann werden Sie denn nun endlich privatisiert?
Im Koalitionspapier ist der Herbst vorgesehen. Wir hoffen, daß wir mit allen Mitwirkenden schnell zu einem Konzept kommen.
Sie sind vor eineinhalb Jahren als finanzpolitische Geheimwaffe bei den BEB eingesetzt worden. Herr Scherf will Ihnen jetzt einen Sanierer schicken.
Vielleicht hat er sich da etwas vertan. Ich habe 16 Jahre Erfahrungen in der Privatwirtschaft gesammelt. Was ich hier betreibe, ist ein Stück Sanierung. Nachweislich haben wir da schon Erfolge, die sich in nackten Zahlen ablesen lassen. Außerdem müssen wir im Konsens mit der Belegschaft arbeiten. Wir haben bewußt viele Mitarbeiter in die Reorganisation mit eingebunden. Fragen: ufo
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