Sozialdemokratie macht auf Optimismus

■ SPD-Fraktionschef Böger verteidigt Stahmer und sieht seine Partei im Aufwind

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger hatte noch nicht einmal die Urlaubskoffer ausgepackt, da wurde er schon von seiner Partei flugs in die Pflicht genommen. Bewaffnet mit einem Blumenstrauß fand er am Krankenbett der Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer aufmunternde Worte: „Wir schaffen alles – gemeinsam.“

Optimistisch gab er sich auch gestern in einer Journalistenrunde. Sicherlich, seine Partei habe durch die Querelen der Bundesspitze eine „Schwächeperiode“ durchlaufen. Die jüngsten Umfragen zeigten die Berliner SPD aber wieder im „leichten Aufwind“. Ziel bleibe das Bundestagsergebnis von 34 Prozent „plus X“. Die SPD wolle am 22. Oktober stärkste Partei werden, um sich – mit Ausnahme der PDS natürlich – den Koalitionspartner „auszusuchen“.

Nachhaltig getrübt wurde Bögers Urlaubsfreude allerdings von den Streitigkeiten der Bundes- SPD. Fast „aus dem Strandkorb gefallen“ sei er beim Lesen einer Spiegel-Umfrage, in der selbst die sozial Schwächeren der CDU bei der Lösung der Arbeitslosigkeit mehr Kompetenz zutrauten als der SPD. Die Personaldebatte müsse folglich beendet werden, zumal sie sich negativ auf den hiesigen Wahlkampf auswirke.

Konzentration aufs Wesentliche will Böger: SPD-Schwerpunkt in Berlin müßten folglich Themen wie soziale Sicherheit, Arbeitsmarkt, Hauptstadt und Ost-West- Einheit sein. Vorwürfe gegen Stahmer, sie wolle mit dem „Schlafwagen an die Macht“, seien einfach „Blödsinn“, meinte Böger. Jeder in der Partei, auch die Bezirksfürsten, müßten sich an „die eigene Nase“ fassen. „Die Berliner SPD“, meinte er ironisch, „kann nur besser werden.“

Gelassen beobachtet Böger, eigentlich ein Mann des rechten Flügels, die Bemühungen des Ex-Regierenden Walter Momper, mit seiner Wählerinitiative die Chancen für eine rot-grüne Koalition auszuloten. In der Finanzpolitik fände er bei den Bündnisgrünen durchaus „interessante Aspekte“, meinte Böger. Hauptstädtische Großvorhaben wie Tiergartentunnel oder Bahnkonzept blieben aber für die SPD „irreversibel“.

Verärgert reagierte Böger über finanzpolitische Vorstöße seines unmittelbaren Kontrahenten, des CDU-Fraktionschefs Klaus-Rüdiger Landowsky. Der hatte Mitte Juli den Verkauf von weiteren 25 Prozent Bewag-Aktien vorgeschlagen. Es gehe, so der SPD- Fraktionschef, um den „energiepolitischen Einfluß“. Gänzlich ausschließen wollte Pragmatiker Böger Verkäufe aber nicht. Im Fall der Fälle stünden jedoch „haushaltspolitische Strukturveränderungen“ an. Ein „Stopfen von Löchern“ werde man nicht mitmachen. Bei allen Unwägbarkeiten des Wahlkampfes – in einem Punkt war sich Böger ganz sicher. Nach den Wahlen werde die Finanzlage mit „ganzer Brutalität und Härte wieder auf dem Tableau liegen“. Severin Weiland