Spiegel sollen Mauerreste optisch weiten

Mauermuseum an der Bernauer Straße soll Gestalt annehmen: Nur auf einem Drittel des 212 Meter langen Grenzstreifens sollen die Sperranlagen stehen bleiben. Baukosten: 1,5 Millionen Mark  ■ Von Oliver Hamm

Noch in diesem Jahr soll mit den Arbeiten an der „Gedenkstätte Berliner Mauer“ begonnen werden. Während der Streit um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ von den Akteuren publikumswirksam ausgefochten wird, sind auf administrativem Wege, quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit, die Weichen für diese nicht minder wichtige Gedenkstätte an der Bernauer Straße gestellt worden. Bis Ende August soll eine Verwaltungsvereinbarung beschlossen werden, die festlegt, daß die Baukosten von 1,5 Millionen Mark vom Bund und die Unterhaltskosten vom Land Berlin getragen werden.

Die Gedenkstätte soll nach dem Entwurf der Stuttgarter Architekten Kohlhoff & Kohlhoff auf dem Areal des denkmalgeschützten Sophienfriedhofs errichtet werden. Die rund 40 Meter breite Schneise, die DDR-Grenztruppen beim Bau der Mauer durch den Friedhof schlugen, gehört neben der East Side Gallery und dem Mauerabschnitt entlang der Niederkirchner Straße zu den letzten erhaltenen Relikten der DDR-Grenzbefestigungen.

Beim Ideenwettbewerb im Oktober 1994 hatte die Jury drei zweite Preise, aber keinen ersten Preis vergeben. Daß die endgültige Entscheidung nicht öffentlich ausgetragen würde, hatte sich bereits im Anschluß an die Preisverleihung gezeigt. Pfarrer Johannes Hildebrand von der evangelischen Sophiengemeinde erklärte, der ebenfalls mit einem zweiten Platz prämierte Kohlhoff & Kohlhoff- Entwurf sei der einzige, den die Gemeinde akzeptieren könne.

Da die zukünftige Gedenkstätte auf einem gemeindeeigenen Areal liegt, und dieses teilweise zur erneuten Friedhofsbenutzung freigegeben worden ist, waren Konflikte zwischen der Gemeinde und dem Auslober des Wettbewerbs – die Bundesrepublik Deutschland in Abstimmung mit dem Land Berlin – programmiert. Beide Seiten einigten sich schließlich auf eine Dreiteilung des 212 Meter langen Grenzstreifens. Ein rund 80 Meter langer Abschnitt an der Bergstraße wurde ganz aus der Gedenkstätte ausgeklammert. Der rund 60 Meter lange angrenzende Bereich wurde für ein Denkmal für die Opfer sowohl der deutschen Teilung wie auch des Zweiten Weltkrieges reserviert.

Nur auf dem verbleibenden, 70 Meter langen Abschnitt bis zur Ackerstraße sollten alle noch bestehenden Bestandteile der früheren Grenzanlagen erhalten werden: Die 3,60 Meter hohe „Vorlandmauer“ als eigentliche Grenzbefestigung zu den westlichen Stadtbezirken, der bewuchsfreie Grenzstreifen mit Kontrollgang und Beleuchtungskörpern, die nur noch rudimentär erhaltene „Hinterlandmauer“ und schließlich der Streifen bis zu dem Zaun. Der Vorschlag von Kohlhoff & Kohlhoff beansprucht lediglich den 70-Meter-Bereich, der durch die Spiegelwirkung der seitlich vorgesehenen sechs Meter hohen polierten Stahlplatten künstlich geweitet werden soll.

Die Stahlplatten aber zerstören so das räumliche Kontinuum der künstlich in die Stadt geschlagenen Schneise. Außerdem erklärt sich der Grenzstreifen nicht aus sich selbst heraus: um eine didaktische Vermittlung des Themas „Berliner Mauer“ wird man also nicht herumkommen.

Der Grenzstreifen auf dem Friedhofsareal steht dafür allerdings nicht zur Verfügung. Pfarrer Hildebrandt kann sich allenfalls vorstellen, einen Abschnitt der Mauer außerhalb des Friedhofs zu rekonstruieren – doch genau das war im Vorfeld des Wettbewerbs ausgeschlossen worden.

Die beiden anderen mit einem zweiten Preis ausgezeichneten Wettbewerbsbeiträge sind offenbar niemals ernsthaft diskutiert worden. Bereits auf der Sitzung des Ausschusses „Berlin 2000“ vom 19. Dezember 1994 erklärte Winfried Sühlo, Staatsekretär der Kulturverwaltung, der Entwurf von Winkler & Thiel sei „in der Stadt nicht durchsetzbar, außerdem sei die Kirche dagegen“.

Dieser Entwurf sah einen begehbaren, rund 15 Meter hohen Steckmetallzaun um den – hier 130 Meter langen unzugänglichen – Grenzbereich, das „Niemandsland“, vor. Der dritte Vorschlag „Kein Denkmal“ von Markus-Antonius Bühren und Markus Maria Schulz, Allensbach, wollte den Mauerstreifen in seinem gegenwärtigen Zustand über die volle Länge von 212 Metern konservieren und lediglich die alten Friedhofsmauer rekonstruieren.

Um ihn durchzusetzen, wäre eine erneute Auseinandersetzung mit der Gemeinde unumgänglich gewesen. Eine mögliche Konfrontation wurde von der Kulturverwaltung aber bewußt vermieden – auf Kosten einer öffentlichen Debatte.