Geldhahn vorerst zu

■ Stasi-Landesbeauftragter greift bei Stalinismus-Gedenkbibliothek ein

In den Streit um die „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“ am Hausvogteiplatz hat sich nun auch der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Martin Gutzeit, eingeschaltet. In einem Brief an den Vorsitzenden des Fördervereins der Bibliothek, Wolfgang Templin, forderte Gutzeit den Verein auf, bis September die jüngsten Konflikte um die Kündigung des Pressesprechers des Vereins, Xing-Hu Kuo, zu klären. Bis dahin würden die staatlichen Zuwendungen ausgesetzt.

Die Gedenkbibliothek war Ende des vergangenen Jahres in die Schlagzeilen geraten, weil die Bibliotheksleiterin Ursula Popiolek einer SS-Aufseherin im KZ- Außenlager Wittenberg zu einer Entschädigung verholfen und im Gegenzug dafür Geldgeschenke angenommen hatte. Zwei Monate später hatte sich der Ex-DDR- Bürgerrechtler Wolfgang Templin zum Vorsitzenden des Fördervereins wählen zu lassen, um den Entschädigungsfall aufzuarbeiten und, wie er sagte, sicherzustellen, daß die Pluralität in der Gedenkbibliothek erhalten bleibe. Gestern nun räumte Templin vor der Presse ein, daß dieser Versuch gescheitert sei. „Die Bibliothek ist mittlerweile auf das rechtskonservative Spektrum eingeschränkt“, meinte Templin. Er sagte weiter: „Damit sind die Voraussetzungen für eine Förderung durch das Land nicht mehr gegeben.“

Templin hatte zuvor den Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen aufgefordert, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Förderung noch gegeben seien. Hintergrund der jüngsten Auseinandersetzungen ist der Konflikt um den Pressesprecher der Bibliothek, Xing-Hu Kuo. Kuo hatte Ursula Popiolek vorgeworfen, rechtsextreme Literatur in der Bibliothek zu verbreiten und war daraufhin vom Vereinsvorstand in Abwesenheit Templins gekündigt worden. Templin zweifelt die Kündigung inzwischen gerichtlich an. Daraufhin hatte der Restvorstand des Vereins Templins Rücktritt gefordert.

Die Entscheidung Gutzeits wurde gestern auch von der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley begrüßt. Die Gedenkbibliothek, erinnerte Bohley, sei nach der Wende auch mit Unterstützung des Neuen Forums gegründet worden. Den einstigen Anspruch, Ort für eine pluralistische Auseinandersetzung zu sein, erfüllten der Förderverein und die Bibliotheksleitung schon lange nicht mehr. Bohley forderte deshalb, für die Bibliothek einen neuen Träger zu suchen. Ganz anders sah die Sache allerdings der neurechte Vordenker Heimo Schwilk. Er zog in Zweifel, ob die Einschaltung Gutzeits durch Templin ein demokratisches Vorgehen sei und versuchte die Vorgänge um die Bibliothek zu verharmlosen. Uwe Rada