Paarungsnichtigkeiten

■ "So oder so ... Liebesgeschichten": vom Trittbrettfahrer Kanal 4 auf RTL

Bibbi ist Krankengymnastin, Jocki Sozialpädagoge und Stefan Krankenpfleger. Selbdritt gehören sie zu jener Spezies, die sich in soziokulturellen Zentren zum Bier zusammenfindet, in Stadtmagazinen inseriert und vermutlich Wiglaf Droste für eine Ausgeburt des Satans hält. Menschen mit unstillbarem Mitteilungsbedürfnis zumeist. Bibbi, Jocki und Stefan haben eine Geschichte erlebt. Nicht eine simple Beziehungs-, eine Dreiecksgeschichte wohl gar. „Jules und Jim“, „Robby Kalle Paul“, „Einsam, Zweisam, Dreisam“ – Leben wie im Kino. Daumenkino allerdings.

Bibbi, Jocki und Stefan haben ihre Geschichte dem Fernsehen erzählt. Wie nämlich Stefan mal auf Reisen war und Jocki ins Nachbarhaus einzog und Bibbi auf einen Tee einlud und es ruckzuck gefunkt hat zwischen den beiden. „Und dann hat sich was ergeben, was ganz schön war für mich, ganz erfüllt und die Frage, laß' ich mich drauf ein oder nich', auf das Erfülltsein.“ Sagt Stefan, der Anspruchslose.

„Eine natürliche Sache“, meint Bibbi. Über die aber, in Ermangelung eines sinnvolleren Zeitvertreibs, stundenlang debattiert werden muß, unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen, warum auch nicht.

Paartherapeut Hans Jellouschek steht nicht an, diesen Part auszufüllen, greift ins Gewürzregal des Küchenpsychologen und fachsimpelt verschärft und mit überkochender Syntax drauflos: „Es gibt Menschen, die auf so eine Situation panisch reagieren und sozusagen die Flucht nach vorn antreten. Und die das nicht wollen, sich auf so einen komplizierten Prozeß einzulassen, der sicher dann entsteht. Die machen kurzen Prozeß und sagen dann, ich will klare und eindeutige Verhältnisse und einen Schlußstrich unter die Beziehung ziehen, und das oft viel zu früh, und sie nehmen sich damit wirklich auch eine Chance, daß sich da etwas Neues entwickeln könnte.“

Ja, es ist Erntezeit und der Rhabarber wohlfeil. Nun also auch du, Kanal 4. Der kesse Trittbrettfahrer – diesmal auf RTL – mit den teils recht ansehnlichen, mindestens aber ungewöhnlichen Beiträgen, tut es im vorliegenden Falle den übrigen Schaustellern nach und nimmt mit „So oder so ... Liebesgeschichten“ eine Reihe über das menschliche Paarungsbedürfnis ins Programm.

Verschiedene Spielarten der Beziehungsorganisation werden an lebenden Beispielen exemplifiziert und en detail publik gemacht: Drei- und Mehrecksverbindungen, Distanz- und Fernbeziehung, schwule und freie Liebe.

Schließt man von der ersten Folge auf den Rest, offeriert man uns vor allem unbedeutende Wehwehchen bestens situierter Menschen, denen wirkliche Probleme ähnlich fern sind wie ein Hungerödem. Nachbars Schlafstube, das unentdeckte Land – hier wird es in sanften Weisen besungen, als erzählter Besinnungsaufsatz: „Dein aufregendstes Beziehungserlebnis“.

Jeweils dreißig Minuten lang reihen sich die Nichtigkeiten, von den ProtagonistInnen selbst vorgetragen und optisch so öde dargeboten, als hätte es „Liebe Sünde“ und dergleichen nie gegeben. Kurzum: Bagatellfernsehen, dessen Spannungsgrad noch von jeder Schulfunksendung en passant überboten wird. Harald Keller

„2 x 2 macht 3 – Dreiecksbeziehung“, 13. 8., 0.00 Uhr

„Da sein, wo ich bin – Liebesvagabunden“ – 20. 8., 0.00 Uhr

„So lange es gut geht – Distanzbeziehung“, 3. 9., 0.00 Uhr

„Schwul sein“, 17. 9., 0.00 Uhr

„Für mich, nicht gegen dich – Fernbeziehung“, 15. 10., 0.00 Uhr

„Liebe ist frei, oder sie ist nicht – freie Liebe“, 29. 10., 0.00 Uhr