Bei uns ist immer Schlußverkauf

■ Infomercials sind so billig gemacht wie der Ramsch, der mit ihnen verscherbelt wird. Bevor sie in Form von ganzen Homeshopping-Kanälen auf uns zukommen, hier der taz-Test für den Trash-TV-Connaisseur.

Niemand würde zugeben, daß er sie ansieht, trotzdem wird mit ihnen auch in Deutschland inzwischen gutes Geld verdient: die „Infomercials“ genannten Filmchen. Meist in den frühen Morgenstunden im Programm, sollen sie vor dem Fernseher hockende Schlafgestörte zum Kauf von Küchenhobeln und Epiliermaschinen motivieren. In dieses „Direct Response TV“, wie Werber die Spots für den Einkauf per Telefon nennen, wurden im vergangenen Jahr über 600 Millionen Mark investiert.

Infomercials sind so billig gemacht wie der Ramsch, der mit ihnen verscherbelt wird: Küchenhobel, Wunderdiäten und merkwürdig sinnloser Heimwerkerbedarf, angepriesen von Leuten, die aussehen wie Gebrauchtwagenhändler, denen man keinen Gebrauchtwagen abkaufen würde. Rufen Sie jetzt an! Diese Gelegenheit sollten Sie nicht verpassen!

Die Trash-Shows, die manchmal gehirnspülende 30 Minuten dauern, repräsentieren die Quintessenz amerikanischen Fernsehschaffens: Ausrangiert wirkendes Showpersonal preist vor einem enthusiasmierten Publikum, das über eine neue Methode der Teppichreinigung in orgiastisch anmutende Rauschzustände verfällt, Plunder an, den man zu Recht in keinem normalen Geschäft findet. Diesen televisionären Konsumfetischismus versteht wohl nur derjenige wirklich, der mit „Der Preis ist heiß!“ aufgewachsen ist.

Der deutsche Trash-TV-Connaisseur erfreut sich nicht nur an der aufgeputschten Nonstopausverkaufsstimmung. Die billig gemachten Filme werden noch billiger eingedeutscht. Da tragen Amateursprecher – motiviert von der Anstrengung, möglichst asynchron zu den Lippenbewegungen des rasenden Televerkäufers zu murmeln – Sätze vor, die kein Geheimnis aus ihrer Eins-zu-Eins- Übertragung aus dem Englischen machen: „Alle Leitungen sind jetzt für Sie offen.“

Es fällt schwer zu glauben, daß dieser Teleschrott tatsächlich Menschen motiviert, schlaftrunken nach ihrer Kreditkarte zu nesteln und per Telefon einen Flusenentferner zu bestellen, den sie nur auf dem Bildschirm zwischen ihren Füßen gesehen haben (allerdings mit 30-Tage-Geld-zurück- Garantie!). Doch chronisch finanzschwache Sender wie Vox, DSF und n-tv haben die Dauerwerbesendungen regelmäßig im Programm.

Im nächsten Jahr sollen die Werbevorschriften sogar noch gelockert werden: Nach der neuen EU-Fernsehrichtlinie dürfen die Sender statt bisher 30 Minuten zwei Stunden Teleshopping täglich zeigen. Dann sind auch reine Teleshopping-Sender möglich. In München steht Home Order Television (H.O.T.), eine Tochter von Pro 7 und Quelle, schon in den Startlöchern, um als erster deutscher Shopping-Kanal auf Sendung zu gehen.

H.O.T. will, so Geschäftsführer Andreas Digta, „noch in diesem Jahr auf Sendung gehen“, wenn auch vorerst nur zur Probe. Das schwedische Unternehmen Kinnevik plant ebenfalls noch für dieses Jahr ein deutschsprachiges Programm, das via Astra ausgestrahlt werden soll.

Der amerikanische Branchenriese QVC Network zeigt seit einiger Zeit in Irland und Großbritannien ein 24-Stunden-Programm, das demnächst in ganz Europa ausgestrahlt werden soll. Das verbietet die europäische Fernsehrichtlinie zwar eigentlich, aber die britischen Medienwächter haben eine originelle Begründung gefunden, um dem Sender trotzdem eine Lizenz zu geben: QVC sei kein Werbesender, sondern eine Art Versandhauskatalog im Fernsehen.

Teleshopping im großen Stil wird uns also nicht erspart bleiben. Deshalb haben wir, siehe unten, eine Woche lang deutsche Infomercial-Spots begutachtet – eine Reise ins Herz der Fernsehfinsternis. Tilman Baumgärtel