„Europa muß Frankreich dankbar sein“

■ Der französische Botschafter unterstellt Atomversuchsgegnern böse Absicht

Frankfurt/Main (taz) – „Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, daß im Umkreis von 1.000 Kilometern um das Atoll 4.200 Menschen leben, während es im selben Umkreis der amerikanischen Versuchsorte in Nevada sieben Millionen sind.“ So steht es in dem Antwortbrief, den der französische Botschafter in Deutschland, Francois Scheer, an den hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel geschrieben hat. Eichel, der auch Vorsitzender der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) ist, hatte Ende Juli bei Scheer gegen die Atombombenversuche im Pazifik protestiert.

Dafür wurde er von Scheer jetzt grob abgebürstet. Die Entscheidung von Staatspräsident Jaques Chirac, auf Moruroa noch acht Atombomben zu zünden, sei eine nationale Entscheidung. Sie ziele darauf ab, Frankreichs „vitale Interessen zu wahren“, schreibt der französische Botschafter. Darüber hinaus müsse Europa dankbar dafür sein, daß Frankreich an der atomaren Abschreckung festhalte, so der Tenor des Schreibens. Es sei nämlich falsch zu glauben, daß die Abschreckung heute ihre Gültigkeit verloren habe: „Wir wissen, daß sich am Rande unserers Kontinents nicht-konventionelle Waffenarsenale mehren, die Europa gefährden können. Vor allem angesichts dieser Gefährdung behält die atomare Abschreckung ihren Wert,“ schreibt Scheer. Europa werde nur voll und ganz bestehen können, wenn es eine „eigene Verteidigungsidentität“ entwickele. Und deshalb müsse gerade Deutschland – auch wegen der „einmaligen freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern“ – den französischen Staatspräsidenten unterstützen. „Ich hoffe daß diese Betrachtungen eine Antwort auf Ihre Besorgnis geben können und dazu beitragen, eine Diskussion ins Gleichgewicht zu bringen, in der Emotionen, Vorurteile und sogar böse Absichten im Vordergrund stehen – vor grundlegenden Überlegungen und vor dem, worum es tatsächlich geht,“ schreibt Scheer an Eichel. Klaus-Peter Klingelschmitt