Skandalöser Röntgen-Check

■ In Bremen wurden junge Asylbewerber zwangsweise durchleuchtet, wegen angeblich falscher Altersangaben

Bremen (taz) – „Körperverletzung“ nennt die Hamburger Ärztekammer die Methode, mit der die Bremer Polizei und Staatsanwaltschaft seit Monaten gegen jugendliche Asylbewerber, darunter vorwiegend solche aus Schwarzafrika, vorgeht. Die Beamten führten in den vergangenen neun Monaten mindestens zehn Jugendliche auf den bloßen Verdacht hin, falsche Altersangaben gemacht zu haben, zwangsweise zum Röntgen vor.

Bundesweit einmalig ist dabei, daß gegen mindestens vier Jugendliche Ermittlungsverfahren eröffnet wurden. Mit dem Vorwurf: Schwere mittelbare Falschbeurkundung in Tateinheit mit Betrug. „Diese Praxis ist rechtswidrig und skandalös“, erklärt dazu Heiko Kauffmann, Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl. Die Methode der Altersfeststellung mittels Röntgenaufnahmen sei „ungeeignet, wissenschaftlich nicht haltbar und zudem gesundheitsgefährdend.“ Mehrere Gutachten bestätigen, daß die Altersbestimmung auf der Basis von Skelett-Röntgenaufnahmen unsinnig ist. So beschloß der Deutsche Ärztetag am 19. Juni in Stuttgart, diese Methode sofort einzustellen.

Die Hamburger Ärztekammer geht noch weiter: Sie ruft alle ÄrztInnen auf, „sich nicht mehr an der Feststellung des biologischen Alters bei jungen Asylbewerbern und Flüchtlingen zu beteiligen.“ Die Methode sei ungenau und müsse „berufsrechtlich als Körperverletzung“ angesehen werden. Daraufhin wurden die bis dahin üblichen Röntgenuntersuchungen Jugendlicher am Frankfurter Flughafen eingestellt. Auch die zu diesem Zeitpunkt noch im Amt tätige Bremer Gesundheitssenatorin, Irmtraud Gaertner (SPD), sprach sich im Juni deutlich gegen das Zwangsröntgen aus. Sie veranlaßte, daß die Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden.

Staatsanwalt und Polizei aber zeigen sich immun gegen medizinische wie rechtliche Bedenken. Die jüngste Anklageschrift gegen einen Jugendlichen datiert vom 11. Juli. Ihm droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, mindestens aber die Abschiebung.

Der Vorwurf, die Jugendlichen wollten sich durch falsche Altersangaben Vorteile für ihr Verfahren erschleichen, ist nach Auffassung von Bremer Rechtsanwälten völlig absurd. Anwalt Günter Werner: „Es gibt objektiv keinen Vorteil für sie.“ Dora Hartmann