Nachschlag

■ Fade Erdbeerpizza mit Honig im Theater Zerbrochene Fenster

Das „Leben als Widerkehr der Verhältnisse“ betitelt das Studiotheater Christburger 6 seine Theatertrilogie. Daniil Charms „Elisaveta Bam“ und Wolf R. Uhts „Der Schatten hinter dem Wort“ gingen bereits über die Bühne, nun hatte mit „Erdbeeren schmecken nur dann, wenn sie warm sind“ der dritte Teil im Theater Zerbrochene Fenster Premiere. Trotz verheißungsvollem Serviervorschlag leider eine verdammt fade Kost. Erneut zeigt sich, daß Vorsicht geboten ist, wo vollmundig Postulate und Theaterkonzepte verbreitet werden. Zu hoch waren die Erwartungen, die das Ensemble geweckt hatte: „Das Theater, das unsere Zeit braucht, zeigt, was wahrzunehmen notwendig wäre, nicht Beliebigkeit.“ Ein Gespräch mit Regisseur Ben Bremer hatte neugierig gemacht auf die angekündigte feingesponnene Begegnung mit diversen Romanfiguren, die „ein Geheimnis bergen“. Die Truppe lobt sich gar, das „magisch-realistische Simultanspiel“ zu pflegen. Magisch-realistisch? Geheimnisse?

Was tatsächlich zu sehen ist, verhöhnt die schönen Worte. Die Figuren – in pseudomalerische Gauklergewänder gehüllt – behalten ihre Geheimnisse für sich. Willkürlich sind ihre Verknüpfungen, oft hilflos und peinlich. So treibt es Süskinds Kontrabaßspieler unvermittelt mit Frischs Hilde aus dem „Grafen Öderland“. Später wird der blonden Coco (ebenfalls aus Frischs Werk) der Po getätschelt und ein Mann hinterhergeschickt. Die einzige Phantasie, die sich hier auslebt, ist männlichen Geschlechts und bar jeder Distanz oder Ironie. Vom „Satyrspiel“ keine Spur. Kein lustvoll-absurdes Rencontre, kein Streit der Träume und Ideale. Die Szenen zerfallen, uncharmant chargieren die Darsteller in ihren Figurgerüsten. Was der Regisseur mit dem Publikum will, weiß er offensichtlich selbst nicht. Bulgakows Pedro Presidente (Frank Schneider) eröffnet als berlinernder Penner zwar erfrischend zupackend das direkte Spiel mit den Zuschauern, danach aber werden sie für lange Zeit links liegengelassen, bevor unvermittelt ein Tisch mit Wunderkerzen aufgefahren wird und die Vergessenen zur Party und zum Mittanzen gezwungen werden.

Nach diesem Stimmungsmacher grätscht Müllers Germania (Tod in Berlin) ins Geschehen: ausgerechnet als niedliches Baseballkäppi-Gör in Gummistiefeln – eine Mischung aus Pippi- Langstrumpf-Enkelin, Girlie und Lolita. Katharina Schlaak ist zwar die einzige, die auf der Bühne Funken sprüht, doch ist die Figur mit Widersprüchen derart überfrachtet, daß jegliche Spannung in Langeweile umschlägt. Germania = Lolita = Diktatorin, die naiv und kalt intellektuell die „Massen“ verführt. Sie tanzt den Hitler und den Räuber Hotzenplotz. Unglaublich, daß das Ensemble angesichts dieses Ringelreihe-Patsche-Patsche-Spiels von Magie zu sprechen wagt. Unverschämt die willkürliche Vermengung von Süskind, Frisch, Bulgakow, Vvedenskij und Müller. Unverdaulich war das Spiel, wie Pizza mit Erdbeeren, Schnitzel, Honig, Zwiebeln und Bonbons. Petra Brändle

„Erdbeeren schmecken nur dann, wenn sie warm sind!“ Heute, vom 17.–21.8. und vom 24.–27.8., jeweils 20.30 Uhr, Theater Zerbrochene Fenster, Fidicinstraße 3, Kreuzberg