Mit Eisendünger in die Eiszeit

Massives Algenwachstum könnte den CO2-Anstieg in der Atmosphäre stoppen  ■ Von Wiebke Rögener

Die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre ist seit der letzten Eiszeit um etwa 75 Prozent, in den vergangenen 200 Jahren um mehr als 20 Prozent gestiegen. Kommen Bemühungen, die vom Menschen verursachte Klimaveränderung zu bremsen, auch langsam voran, so wird doch immerhin viel darüber geredet. Selbst Anhänger der Atomenergie erhalten neuen Auftrieb, wenn es gilt, den CO2-Ausstoß zu verringern.

Geht es auch anders? Läßt sich das überschüssige CO2 durch Manipulation des Algenwachstums in den Weltmeeren wieder einfangen? Versuche hierzu werden von einem US-amerikanisch-britischen Ozeanographenteam bereits gemacht. Das Intergovernmental Panel on Climate Change schätzt, daß von den rund sieben Milliarden Tonnen CO2, die die Menschheit pro Jahr produziert, etwa zwei Milliarden Tonnen von pflanzlichem Meeresplankton absorbiert werden. Kohlendioxid wird von grünen Algen während der Photosynthese verbraucht und zu organischer Substanz umgewandelt. Pflanzenfressende Tiere setzen den gebundenen Kohlenstoff wieder als CO2 frei. Jedoch geht nicht die gesamte von Grünalgen gebildete organische Substanz in die Nahrungskette ein, sondern ein Teil des Planktons stirbt ab, sinkt auf den Meeresboden und bildet dort kohlenstoffhaltige Sedimente. Die Meere sind also eine Art CO2- Falle.

Nun enthalten große Regionen der südlichen Ozeane, trotz hoher Sonneneinstrahlung und nährstoffreichen Wassers, nur wenig pflanzliches Plankton. „Was fehlt?“ fragten sich die Forscher, und die Antwort schien schnell gefunden. Wurde solchem Meerwasser im Laborversuch Eisen zugesetzt, verzehnfachte sich die Algenkonzentration, und der CO2- Verbrauch stieg entsprechend an.

Gebt mir einen halben Tanker voll Eisen, und ich gebe euch eine Eiszeit“, scherzte John Martin von den Moss Landing Marine Laboratories in Kalifornien noch in den achtziger Jahren über die so simpel erscheinende Möglichkeit. Wenn die südlichen Ozeane mit 300.000 Tonnen Eisen gedüngt würden, könnte das resultierende Algenwachstum genügend Kohlendioxid aufnehmen, um die CO2-Bilanz der Erde auszugleichen.

„IronEx I“ hieß der erste Großversuch, der bereits vor drei Jahren in einem 64 Quadratmeilen großen Seegebiet südlich der Galapagosinseln durchgeführt wurde. 450 Kilogramm Eisen leiteten die Forscher seinerzeit dem Meer zu, so daß sich der Eisengehalt in der Testregion um das Hundertfache erhöhte. Vom Flugzeug aus wurde die Algenblüte mit Meßgeräten der Nasa registriert. Der Effekt war jedoch sehr viel geringer als in den Laborversuchen. Schon nach vier Tagen kam es zu keiner Steigerung des Algenwachstums mehr, obwohl der Nährstoffgehalt des Meerwassers nach wie vor stark erhöht war. Die Steigerung des CO2- Gehaltes im Wasser betrug nur 10 Prozent des erwarteten Wertes. Die Eisenhypothese hatte sich damit im Prinzip bestätigt, aber es war nicht notwendig, sich weiterhin ernsthaft mit den Folgen einer möglichen Klimamanipulation zu beschäftigen. So äußerte sich jedenfalls der Leiter des Experiments, Richard Barber. Dessenungeachtet schlug er vor, den Versuch in größerem Maßstab zu wiederholen.

Vor wenigen Wochen war es dann soweit. Das Forschungsschiff Melville kreuzte erneut im Pazifik, um nach dem Motto „Viel hilft viel“ den Versuch zu wiederholen. Bei IronEx II wurde dem Meer diesmal statt einmal gleich zweimal Eisen zugeführt, so daß sich das erhöhte Niveau über einen längeren Zeitraum halten ließ. Vom Ergebnis waren selbst die Ozeanographen überrascht. „Die Eisenzufuhr hatte einen gewaltigen Effekt auf das Algenwachstum“, berichtete Andrew Watson, einer der führenden Wissenschaftler, nach seiner Rückkehr aus dem Pazifik. Mit einer Tonne Eisen konnten etwa 10.000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Warum bei IronEx II, im Gegensatz zum ersten Versuch, die Algen sich so stark vermehrten, wissen die Forscher auch nicht. Zu viele Fragen über das Ökosystem Meer sind noch nicht beantwortbar. Eine Vermutung ist, daß die Ozeanographen es diesmal mit ganz anderen Algenarten zu tun hatten.

Um die Besorgnisse der Kritiker und wohl auch eigene Bedenken zu zerstreuen, hatten die Forscher zuvor noch auf die Ergebnisse des ersten Versuchs verwiesen: Die erzielten Effekte seien ja gar nicht so groß gewesen. Die Experimente seien keinesfalls vorläufige Schritte zur Klimamanipulation, sondern dienten nur dazu, die Funktionsweise der pazifischen Ökosysteme zu verstehen, versicherten die beteiligten Wissenschaftler: Es ginge nur um ökologische Grundlagenforschung.

Über den Erfolg von IronEx II kann sich die Mehrzahl der beteiligten Ozeanographen jetzt nicht mehr so richtig freuen. Ihnen wäre es fast lieber gewesen, die „Eisendüngung“ hätte wieder nicht funktioniert. Sie befürchten nun, daß „Öko-Ingenieure“ die „technisch einfache und kostengünstige Eisendüngung“ im großen Stil einsetzen, um den Anstieg des Treibhausgases CO2 in den Griff zu bekommen.