Saddam Hussein jagt seine Familie

■ Der Schwiegersohn des irakischen Diktators ruft im jordanischen Exil zu dessen Sturz auf. Zur Warnung an Bagdad schicken die USA einen Flugzeugträger nach Israel. Der Übergelaufene soll mit der CIA verhandeln

Amman/Berlin (AFP/dpa/wps/taz) – Mit einem kaum verhohlenen Mordaufruf hat die irakische Führung auf die Flucht des irakischen Generals Hussein Kamil Hassan al-Madschid nach Jordanien reagiert. Der Onkel des Geflüchteten, der als „Schlächter von Kurdistan“ bekannte General Ali Hassan al-Madschid, verurteilte den „Verrat“ seines Neffen, der bestraft werden müsse. „Die Familie hat einmütig beschlossen, daß ungestraft Blut vergossen werden darf“, hieß es gestern in einer in den staatlich gelenkten Medien verbreiteten Erklärung.

Madschid hatte am Donnerstag zusammen mit seinem Bruder Saddam Kamil Hassan in Jordanien politisches Asyl erhalten. Beide sind mit Ragha und Rana, zwei Töchtern des irakischen Diktators Saddam Hussein, verheiratet. Sie begleiteten ihre Männer zusammen mit ihren Kindern und etwa 15 weiteren Offizieren und deren Familien auf der Flucht. Nach der gescheiterten Rückholmission von Saddam-Sohn Udai soll sich jetzt dessen Ehefrau Sagida nach Amman begeben, um die Töchter zur Rückkehr zu bewegen.

Bereits am Samstag soll es zu einem Attentatsversuch auf den geflüchteten Madschid gekommen sein, als dieser in Amman eine Pressekonferenz abhielt. Nach einem Bericht der Mail on Sunday habe der jordanische Geheimdienst wenige Stunden vorher zwei Männer abgefangen, die den General töten wollten.

Auf der Pressekonferenz rief Madschid offen zum Sturz Saddam Husseins auf. Er werde alle politischen, militärischen und geheimdienstlichen Mittel nutzen, um vom Exil aus einen Umsturz im Irak herbeizuführen, sagte er. Dafür werde er Kontakte zu Irakern im In- und Ausland sowie auf arabischer und internationaler Ebene nutzen. Zu den USA habe er bisher noch keine Kontakte, erklärte Madschid. Er appellierte an alle irakischen Offiziere, sich an den Vorbereitungen für den Umsturz zu beteiligen. „Die Isolation des Regimes macht seinen Sturz unvermeidbar“, sagte Madschid.

Die großen Knüller über die politischen Verhältnisse im Irak oder das irakische Rüstungsprogramm kamen auf der Pressekonferenz nicht zur Sprache. Dies dürfte Gesprächen mit US-Geheimdienstbeamten vorbehalten bleiben, die bereits in Amman eingetroffen sind und – im Gegesatz zu den Äußerungen Madschids – auch schon mit den Exulanten zusammengetroffen sein sollen. Ganz oben auf der Wunschliste Madschids dürfte bei den Gesprächen ein sicherer Zufluchtsort stehen, etwa in den USA. Die USA hatten seit dem Ende des Golfkrieges gegen den Irak darauf gesetzt, daß die internationale Isolation und die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak zu einem Sturz des Regimes führen wird. Nun gibt es zumindest im Ausland eine personelle Alternative zu Saddam Hussein. Daran gekoppelt ist auch die Aufhebung des Embargos.

US-Präsident Bill Clinton warnte Saddam Hussein bereits davor, Jordanien zu bedrohen. Um dies zu unterstreichen, wurde der US-Flugzeugträger „Theodore Roosevelt“ nach Israel geschickt. Die irakische Führung trat unterdessen die Flucht nach vorn an und kündigte an, wichtige Einzelheiten ihres Militärprogramms offenzulegen. Aziz warf dem „Überläufer und Verräter“ Madschid vor, er habe der UNO Informationen aus der Militärindustrie vorenthalten. Dies sei Teil einer Verschwörung gewesen, die Sanktionen gegen den Irak zu verlängern. b.s.

Seiten 10 und 11