Täglich scheiß-langer-Donnerstag?

■ Der Streit um die Ladenschluß-Zeiten geht auch quer durch die SPD / Strikt dagegen sind nur die Verkäuferinnen

„In der Türkei wartet so mancher Ladenbesitzer von morgens fünf bis Mitternacht auf seine Kunden,“ sagt Sahli Akova. Der Geschäftsführer vom Gemüseladen Bazar im Steintor ist froh, daß er in Bremen seinen Laden abends um 18.30 Uhr schließen kann. Akova hält nichts von längeren Einkaufszeiten, wie das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung sie kürzlich vorgeschlagen hat: „Der Bedarf ist immer gleich. Die Leute würden nicht mehr kaufen.“ In Bremen gehen die Meinungen von Befürwortern und Gegnern dieser Vorschläge quer durch alle Parteien.

SPD-Wirtschaftspolitiker Detmar Leo, Sprecher der Wirtschaftsdeputation, lehnt längere Öffnungszeiten generell ab. Er befürchtet eine „Verödung der Innenstädte“ und eine Umschichtung der Kaufkraft zugunsten der Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“. Der Fachhandel insbesondere in den Nebenzentren würde veröden. Zudem würden vor allem sozial nicht abgesicherte „580-Marks-Jobs“ geschaffen.

Der Gewerkschafter und Klöckner-Betriebsratsvorsitzende Peter Sörgel, neuerdings SPD-Politiker und Sprecher der Arbeitsdeputation, begrüßt dagegen den wirtschaftsliberalen Ifo-Vorstoß. Sörgel ist dafür durch „intelligente Modelle“, die Ladenschlußzeiten neu zu regeln: „In Nordrhein-Westfalen gibt es in den Trinkhallen bis 22 Uhr Milch, Butter und Gemüse.“

In der CDU streiten sich die Parteiflügel mit wohlbekannten Rollen: Wolfgang Schwoers, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht Vorteile in zusätzlichen Einkaufsmöglichkeiten. „Ich glaube, daß die Attraktivität der Innenstädte damit verbessert wird.“

„Keinen Handlungsbedarf“, an den bestehenden Ladenschlußzeiten zu rütteln, sieht dagegen CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer: „Das alte Ladenschlußgesetz hat sich bewährt“, meint der CDU-Fraktionsvorsitzende. Er spricht sich allerdings für eine flexiblere Handhabung des Gesetzes aus: Zu besonderen Anlässen wie Bremer Freimarkt, Stadt- oder Hafenfest sollen häufiger Sonderöffnungszeiten zugelassen werden.

CDU-Sozialpolitikerin Silke Striezel meint auch: „Unter dem Strich wird keine Mark mehr ausgegeben.“ Die Bürgerschaftsabgeordnete und jugendpolitische Sprecherin der CDU fürchtet jedoch erhebliche Auswirkungen auf das Familienleben, da überwiegend Frauen im Einzelhandel arbeiteten.

Die Betroffenen Verkäuferinnen lehnen die längeren Landenöffnungszeiten einhellig ab. „Ich kann das Bedürfnis nach längeren Öffnungszeiten gut verstehen, aber wem soll man das zumuten, länger zu arbeiten“, meint Anne-Christine Möller, Verkäuferin im Schuhhaus Brandt. Daß sie erst um viertel nach zehn nach Hause kommen, macht für die direkt Betroffenen den langen Donnerstag zum „Schlado“ – scheiß langer Donnerstag, sagt Else Esselborn, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Karstadt. Zu allem Überfluß habe die BSAG auf die längeren Öffnungszeiten bislang nicht reagiert – der öffentliche Nahverkehr hat donnerstags am Abend keine anderen Taktzeiten als sonst in der Woche.

Als der „Schlado“ vor sechs Jahren eingeführt wurde, war noch die Rede von einem Dienstleistungsabend, erinnert Esselborn. „Heute sprechen alle nur noch von einem langen Kaufabend. Um wirklich verbraucherfreundlich zu handeln, müßten die Behörden mitziehen.“

Problem schon erkannt, heißt es aus dem Stadtamt. Nach Aussage Hans-Jörg Wilkens, Leiter des Stadtamtes wird nach 5 Jahren „verkaufsoffenen Donnerstag“ derzeit immerhin daran gearbeitet, weitere Öffnungszeiten anzubieten. „Der Bedarf ist eindeutig vorhanden“, weiß Wilkens. Gegenüber der taz kündigte er an, schon Ende des Jahres im Einwohnermeldebereich zusätzliche Öffnungszeiten zu realisieren. Der Abend aber bleibe tabu. re/vos