Peter Radunskis Ladenhüter

■ Kritik von Koalitionspartnern und Gewerkschaften am Vorschlag des Bundessenators, die Ladenschlußzeiten für drei Jahre völlig freizugeben. Den flexibleren Ladenschluß wünschen aber viele

Die Gelegenheit schien günstig: Kurz bevor das Münchener Ifo-Institut vorige Woche sein Gutachten über die Ladenschlußzeiten veröffentlichte, trat Bundessenator Peter Radunski (CDU) mit seinem Vorschlag an die Öffentlichkeit, die Ladenschlußzeiten in Berlin in einem dreijährigen Modellversuch ganz freizugeben. Doch Radunskis Initiative findet in der Koalition kaum Zuspruch und stößt bei den Gewerkschaften auf Kritik.

Der Staatssekretär der dafür eigentlich zuständigen Wirtschaftsverwaltung, Hans Kremendahl, nennt den Vorschlag Radunskis „persönliche Idee“. Die Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) dagegen verweist auf die gescheiterte Berliner Bundesratsinitiative von 1993, mit der die Ladenschlußzeitenregelung nur für Familienbetriebe im Einzelhandel gelockert werden sollte. „Diesen Vorschlag hat die Bundes-CDU selbst auf Eis gelegt“, meinte Stahmer. Somit sei das Vorgehen Radunskis allenfalls ein „Versuchsballon“.

Nach Radunskis Vorstellung sollte jeder Ladenbesitzer selbst entscheiden, wann und wie lange er sein Geschäft offenhalten möchte. Damit geht er über Stahmers Bundesratsinitiative hinaus. Der Bundestag hatte die Beratung dieser „kleinen Lösung“ bislang vertagt, um die Ergebnisse der Ifo- Untersuchung abzuwarten, die nun vorliegen: Die Gutachter empfehlen, Geschäfte an Werktagen von sechs bis 22 Uhr, samstags bis 18 Uhr zu öffnen und auch die Begrenzung der Verkaufszeit auf 68,5 Stunden wöchentlich zu kippen.

Diese Vorschläge sind auch in Berlin umstritten. Trotz der Ablehnung von Radunskis weitgehendem Vorschlag begrüßt Kremendahl generell eine Ausweitung der Ladenschlußzeiten. Er hofft, daß vor allem kleine Familienbetriebe davon profitieren. Ottwald Demele, Berliner Tarifsekretär der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), befürchtet dagegen, daß „Selbstausbeutung“ die Folge wäre.

Demele glaubt auch, daß durch längere Öffnungszeiten nicht mehr gekauft würde, sondern die Kaufmenge sich nur über eine längere Zeitspanne verteile. „Das führt letztendlich auch zu einer Verteuerung der Produkte.“ Zudem erlaube das Gesetz bereits jetzt, einen Laden bis zu 68,5 Stunden pro Woche geöffnet zu halten. Dieses Angebot nähmen aber die Unternehmer gar nicht an.

Fragt man die KundInnen, stößt der Vorschlag grundsätzlich auf Zustimmung. Gertrud Schöner, (32): „Ich habe zwei Kinder, und obwohl ich nur halbtags arbeite, ist ein großer und organisierter Einkauf nur am Donnerstag und Samstag möglich. Das ist zu wenig.“ Ramasan Bozcaia würde sein Lebensmittelgeschäft in Kreuzberg gerne länger offenhalten: „Das große Geschäft mache ich, wenn die Arbeiter nach Hause gehen. Deshalb mache ich oft ein bißchen länger auf. Ich würde abends auch länger im Laden stehen, Hauptsache, ich bin mein eigener Herr.“ Bei Karstadt gibt man sich optimistisch: „Die freien Öffnungszeiten werden kommen, und das wird die Städte nach Feierabend neu beleben.“

Damit die kleinen Läden nicht auf der Strecke bleiben, können sich viele Kunden auch damit anfreunden, nur die Öffnungzeiten für Lebensmittelgeschäfte und den Einzelhandel freizugeben. „Mir würde das völlig genügen“, meint Gertraut Schöner. Ole Schulz, Adrian Prechtel