■ Front National hinter den Anti-Abtreibungs-Kommandos
: Rechtsextreme Lebensschützer

Im Gegensatz zu Deutschland ist Abtreibung in Frankreich ein individuelles Recht für jede Frau. Doch selbstverständlich ist ein Recht ja nie, dachte Ende Juni der „Senat“, die französische Oberkammer. So setzte die konservative Mehrheit prompt die verurteilten Mitglieder der Anti-Abtreibungs-Kommandos, die Frauen und Ärzte in den Kliniken terrorisieren, auf die Liste der Juli-Amnestie. Gegen den Willen der eigenen Regierung. Alle nur „friedfertigen Demonstranten, die vom Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen“, meinten sie. Die Regierung amnestierte die Kommando-Mitglieder letztlich zwar nicht, doch den symbolischen Schaden am festgeschriebenen Recht konnte sie nicht mehr beheben.

Währenddessen richten die „friedfertigen“ Demonstranten weiter Schaden an. Perfekt getimt stürzen katholische Fundamentalisten in Abtreibungszentren, ketten sich mit Fahrradschlössern an (am liebsten in der „Fötusausstellung“) und beten. Mehr als 200mal in den letzten fünf Jahren. Dabei sind immer ein fundamentalistischer Priester, ein Offizer a.D., eine kinderreiche Mutter, ein paar Studenten und ein Aidskranker, der sein Leben für „ein noch nicht geborenes hingeben würde“. Sie glauben felsenfest, das wahre Recht stehe auf ihrer Seite. Jede gelungene Mission macht sie arroganter, jede Verurteilung zu Märtyrern. Sie wollen die Welt vor dem „Völkermord an ungeborenen Franzosen“ warnen. Die im OP-Saal aufgeschreckten Frauen bleiben nachhaltig geschockt.

Ihre Dachorganisationen heißen „Laßt sie leben“ und „SOS – ganz Kleine“. Doch die Schirmherrschaft trägt seit Anfang der achtziger Jahre die rechtsextreme Front National. Le Pen stellt die Organisation und die Verteidiger bei den Prozessen – außer ein FN-naher Richter hat gerade Vorsitz. Dafür stellen die Fundis immer mehr Aktive – ihre zahlreichen Kinder werden gleichzeitig auf Kommando- und Parteimilitanz gedrillt.

Für die Jugend gehört das 1974 von Ministerin Simone Veil durchgepochte Gesetz im Notfall zu ihren persönlichen Rechten. Ein Schwangerschaftsabbruch ist für keine Frau ein Zuckerschlecken – weder psychisch noch physisch. Mehr als auf konkrete Abtreibung bestehen deshalb die Verteidiger heute auf dem Recht auf freie Wahl. Pierre-Olivier François

Der Autor ist Mitarbeiter der Wochenzeitung Courrier International