■ Koalition gegen die Liberalisierung in Italien
: Rollback auf dem Rücken der Frauen

Daß unsere Parlamentspräsidentin Irene Pivetti eine aggressive Abtreibungsgegnerin ist, wußten wir schon vor ihrer Wahl. Und die alten Garden der Christdemokraten haben die Blamage von einst noch nicht verwunden, als die Liberalisierung mit einer Riesenkampagne durchgesetzt wurde.

Die Koalition, die sich nun in Sachen Rücknahme der Freiheiten anbahnt, hat aber etwas Abstruses, bedenkt man, daß auch ein Großteil der einst ehern hinter der Liberalisierung stehenden Kräfte mitmacht. Begonnen hatte vor vier Jahren der Sozialist Giuliano Amato, der kurz danach auch noch Ministerpräsident wurde. Nun ist auch Linksdemokratenchef Massimo D'Alema auf den Zug aufgesprungen. Und auch betont liberale, laizistische Gruppen wie die „Rete“ des Antimafia-Bürgermeisters Leoluca Orlando beobachten erstaunt, wie ihr Chef plötzlich eine Totalwendung vollführt und Abtreibung zum Teufelszeug erklärt.

Offenbar wird die Abtreibungsfrage zu dem Symbol für das längst eingesetzte Rollback, die Hinwendung zu einer entschieden konservativen Politik ausnahmslos aller Parteien – selbst die offiziell noch zur bisherigen Regelung stehende Rifondazione Comunista und auch die wie niemand sonst für die Liberalisierung eingetretene Radikale Partei Marco Pannellas befinden sich derzeit allenfalls noch in Abwehrgefechten.

Wie kein anderes Thema versinnlicht die Abtreibungsfrage die Macht des Staates über das Individuum. Nicht umsonst nutzt auch der Papst dieses Thema zur Disziplinierung seiner Katholiken. Wenn sich Massimo D'Alema nun anbietet, die Abtreibungsgesetzgebung zu „überdenken“, signalisiert er damit, daß seine Partei, kommt sie in die Regierung, das Rollback auch auf empfindlichen Gefilden sozialer Problematik garantiert.

Machen wir uns also nichts vor: Hier handelt es sich weder um „Kurskorrekturen“ noch um die isolierte Neuformulierung eines alten Problems. Hier geht es darum, mit dem Beschuß einer der „Festungen“ sozialer Errungenschaften der letzten Jahrzehnte nun eine eindeutige Wende festzuklopfen. Die einzige Frage, die noch bleibt, ist die: Sind die neuen Fans einer Rücknahme der Garantien für Frauen aus Überzeugung für die Abschaffung der Liberalisierung, oder tun sie nur so, um endlich an die ersehnte Macht zu gelangen? Doch am Ende ist auch diese Frage marginal; in beiden Fällen spielen die Interessen der Frauen selbst keine Rolle mehr. Gabriela Percoco

Die Autorin, 44, ist Sozialarbeiterin und gehörte in den siebziger Jahren zu den Vorkämpferinnen für die Referenden zur Liberalisierung der Abtreibung