Herr Oesterle wird Lord auf Eigg

Ein Maler aus Stuttgart kauft sich Europas größte Privatinsel, das Eiland Eigg vor der schottischen Küste. Nicht nur die rund 80 Bewohner fragen sich: Woher hat er nur das Geld?  ■ Aus Stuttgart Philipp Maußhardt

Die britische Presse hat einen Füller für das Sommerloch entdeckt: den Stuttgarter Maler Marlin Eckhard. Er kaufte für rund vier Millionen Mark die schottische Insel Eigg, Europas größte Privatinsel. Wer steckt dahinter, fragten die Zeitungen. Ist Eckhard Drogenhändler oder Waffenschieber? Im Stuttgarter Büro des Künstlers steht das Telefon nicht mehr still.

In der Kunstszene ist Marlin Eckhard, der sich Maruma nennt, unbekannt. Und dennoch, sagt er, kaufen Sammler seine Bilder zu einem Preis von mehr als 200.000 Mark. Wer die Liebhaber sind, will Eckhard nicht verraten, denn „die möchten nicht genannt werden“. Nur soviel verrät er: „Hochfinanz“ und „Wall Street, New York“. Überhaupt stößt man bei Eckhard-Maruma mehr auf Geheimniskrämerei als auf Auskunftsfreude. Was der heute 42jährige Schwabe bisher gemacht habe? „Gereist.“ Wohin? „Um die halbe Welt.“

Es fängt schon beim Namen an. Marlin Eckhard ist zwar sein heute standesamtlich eingetragener Name. Doch eigentlich hieß er Eckhard Oesterle. Den Namen ließ er vor knapp 20 Jahren ändern, „weil ich als Künstler unter dem Namen Eckhard bekannt geworden bin“. Wo der Maler Eckhard allerdings bekannt wurde, ist wiederum sein Geheimnis. In den vergangenen zehn Jahren kann er gerade drei Ausstellungen nachweisen: Eine in Dubai, eine in Athen und zuletzt 1990 eine in Oxford. Daß dies ausreicht, um einen so aufwendigen Lebensstil zu pflegen, glaubt kaum einer, der den Kunstmarkt kennt. Eckhard-Maruma jedenfalls verfügt nicht nur über eine riesige Büroetage im Stuttgarter Osten, er fährt auch ein 130.000 Mark teures Auto. Vor kurzem hat er in bester Geschäftslage ein Penthouse angemietet.

Nun hat Eckhard-Maruma obendrein noch Europas größte Privatinsel gekauft. Im März bezahlte der Stuttgarter Maler rund vier Millionen Mark für das 34 Quadratkilometer große paradiesische Stück Erde. Eigg, etwa zehn Meilen vor der schottischen Westküste gelegen, verfügt über traumhafte Naturschätze: Dunkle Basaltfelsen heben sich gegen die grünen Hügel ab, Bergseen und Moore überziehen die Hochflächen, überall plätschern Bäche, die in vielen Wasserfällen hinab zum Meer stürzen.

Der Vorbesitzer der Insel, der britische Geschäftsmann und ehemalige Bobchampion Keith Schellenberg, hatte die Insel 20 Jahre besessen und sie nun verkauft, um damit einen Schlußstrich unter den jahrelangen Streit zwischen ihm und der 80köpfigen Inselbevölkerung zu ziehen. Sein arrogantes Auftreten hatte die Bewohner zuletzt derart aufgebracht, daß sie den Wagen des Insellords ansteckten. Schellenberg konnte die Inseln nur noch unter Polizeischutz betreten.

In die Freude der Bewohner, den ungeliebten Lord los zu sein, mischte sich schon bald die bange Frage nach der Identität des neuen Besitzers. Zwar hatten die Insulaner Marlin Eckhard schon mehrfach auf der Insel gesehen. Auch war sein etwas wildes Aussehen ihnen durchaus sympathisch. Doch hält er auch die Versprechen, die er gleich nach dem Kauf den Bewohnern gab? Er wolle die Insel zu einem Ferienparadies für sanften Tourismus ausbauen, hatte er angekündigt, die Straßen ausbessern, Appartements bauen, neue Fährverbindungen einrichten. Das hörte sich gut an. Doch, so fragten sich Menschen und Medien, woher nimmt der Mann das Geld dazu?

Wilde Spekulationen füllten die Boulevardblätter. „Für mich stecken da die Araber dahinter“, schrieb ein Reporter der Sunday Times und bot gleich noch andere Lösungen des „Mysteriums Maruma“ an: Drogengelder oder illegale Waffengeschäfte. Auch die Illustrierte Stern beteiligte sich und ließ kein Gerücht aus, das auf der Insel kursierte: In bolivianischen Gefängnissen habe er gesessen, enge Kontakte hätte er zu einem „Playboy-Präsidenten“ auf den Seychellen.

Zwar ist es richtig, daß die Staatsanwaltschaft Stuttgart vor zwei Jahren einmal gegen Eckhard -Maruma wegen Betrugverdachts ermittelte. Das Verfahren wurde aber wenig später aus Mangel an Beweisen eingestellt. Auch Klagen von Handwerkern, deren Rechnungen Eckhard-Maruma erst nach längerem Rechtsstreit beglich, reichen nicht, um aus einem ominösen Maler gleich einen Kriminellen zu machen. Immerhin hält ein schwäbisches Bankhaus den Künstler für so kreditwürdig, daß es ihm einen Großteil des Kaufpreises der Insel vorstreckte.

Er will sich jetzt zusammen mit seiner 25jährigen Freundin Isabella auf die Ausarbeitung seines „Art-Konzeptes“ konzentrieren, das demnächst „wie eine Bombe“ den Kunstmarkt sprengen soll. Dann, so sagt der Esoteriker Maruma voraus, „werden die Energien von Kunst, Geld und Zeit“ auf einen Schlag zusammentreffen und Eckhard-Maruma wird dadurch ein reicher Mann werden. Wie immer das ausgehen mag, die britische Presse hat inzwischen eine neue Erklärung gefunden. „Wahrscheinlich steckt ein reicher Vater dahinter“, schrieb die Sunday Times, „und Herr Maruma traut sich nur nicht, es zuzugeben.“