■ Die kleine Breitseite
: Aufklärung gegen Abendland – 5:3

Atheisten aller Bundesländer, ihr könnt euch gratulieren! Das Urteil aus Karlsruhe ist ein Volltreffer fürs Kirchenschiff! Die bajuwarischen Katholen jaulen, als hätten die Richter die Tabernakel-Türchen gesprengt und Hand ans Allerheiligste gelegt! Wahrlich, dies Urteil ist Balsam für die Wunden des humanistischen Aufklerus! – Denn leben wir nicht in einer Zeit, da dem Bild vom Menschen, wie es sich die Erzieher des Menschengeschlechtes in ihren kühnen Träumen ausgemalt haben, langsam die Farbe aus dem Gesicht fällt? Ist es nicht so, wie Michel Foucault es beschrieb: Daß des Menschen Antlitz verschwindet, als sei es „am Meeresufer in Sand gemalt“? Ist es heute, da der Weltverbesserer von gestern kaum noch wagt in den Spiegel zu schauen, nicht geradezu erlösend, der klerikalen Konkurrenz eine lange Nase zu machen?! Landauf, landab erfüllt Schadenfreude die Herzen.

Auch die taz jubiliert und empfiehlt sich als Bildzeitung der Jakobiner: „Kruzifix, Bayern ohne Balkensepp!“ So haben wir's gern! Heftig und deftig – mit der vollen Kraft der Schlagzeile. Völlig talentfrei hingegen versuchen die Jungen Pioniere von der jungen Welt eine Brücke zur Entsorgungsfrage zu schlagen: „Christus zu Pflugscharen?“ Jungstalinisten zum Alteisen? Dummbeutel zu Redakteuren? Schwamm drüber, da wird noch geübt.

Die Frankfurter Rundschau erhebt das Urteil des BVG in den Rang einer „Karlsruher Kultur-Revolution“, wundert sich aber gleichzeitig über die große Aufregung. „K“ und „K“ – die Alliteration ist genauso verlockend wie unzutreffend. Was soll's, es war doch nur eine Überschrift.

Wer die Wahrheit sucht, muß zwischen die Zeilen, und da riecht es bei der FAZ in Reumanns Rechtsaußenspalte nach Kreuzzug und Abendland: „Ist ein Kruzifix im Klassenzimmer ,ein Zwangselement‘? Muß es entfernt werden, wenn die Eltern eines einzigen Schülers sich dadurch provoziert fühlen?“ Ja, muß man sich das bieten lassen? Womöglich noch von den Eltern eines Heidenkindes?

Nein! „Was ist, wenn christliche Eltern dagegen klagen, daß muslimische Mädchen in deutschen Schulen Kopftücher tragen?“ Resümee: „Freiheit von allem bedeutet, daß man mit leeren Händen dasteht. Grund genug, darüber nachzudenken, was der abendländischen Gemeinschaft bleibt.“

Was tun, wenn Muselmanen im Geiste unseres Grundgesetzes gegen den Heiland zwangsvollstrecken? Greifen dann die Oberammergauer zu den Dreschflegeln? Vorschlag zur Güte: Die katholische Kirche rückt ab vom Kreuz als dem Symbol von Martyrium und Erlösung und beruft sich lediglich auf ihre erfolgreiche abendländische Tradition.

Das Kreuz wird gesetzlich geschütztes Warenzeichen des Zweckverbandes christlicher Kirchen (INRI wird zu T verkürzt) und darf gegen Entgelt im Klassenzimmer aufgehängt werden. Der Menschensohn wird (endlich) vom Kreuz genommen. Die Kirchen verpflichten sich, Jesus nie wieder hängen zu lassen. Erneute Kreuzigung wird unter Strafe gestellt. Matthias Deutschmann

Kabarettist, lebt in Freiburg und Berlin