: Kinderinternierung auf Rhein-Main-Flughafen
■ Alleinreisende Flüchtlingskinder werden in Frankfurt vom BGS festgehalten. Diese Praxis ist „rechtswidrig“, meint die grüne Abgeordnete Christa Nickels
Frankfurt/Main (taz) – Es ist finster und drückend heiß im Aufenthaltsraum. Das Kartentelefon auf dem exterritorialen Gebiet des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens frißt Einheiten wie ein einarmiger Bandit. Die AsylbewerberInnen, Männer, Frauen und viele Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren, bekommen gerade ihr Mittagessen: Salat, Fleisch, Bratkartoffeln und Kartoffelbrei in einheitsdeutscher Kantinenqualität. Vor dem dreistöckigen Plattenbau stehen gepanzerte Fahrzeuge. Filmen bei der Anfahrt ist auf Anweisung des Bundesgrenzschutzes (BGS) verboten. Der fürchte, so Flughafensprecher Schwalm, Anschläge „von der rechten Seite“. Hierher, an diesen wahrhaft ungemütlichen Ort mit engen Fuchsbaugängen und -treppen, Resopal, Bohnerwachs- und Schweißgeruch, hatte die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Christa Nickels gestern mittag zur Pressekonferenz gebeten.
Die geriet dramatisch, weil die Abgeordnete unversehens ins aktuelle Geschehen um die bevorstehende Abschiebung der hungerstreikenden Sudanesen einbezogen wurde (s. Seite 1). Eigentlich jedoch ging es ihr darum, die Situation minderjähriger Kinder, die ohne erwachsene Begleitung aus Fluchtländern anreisen und vom BGS in zwei Räumen festgehalten werden, zu verbessern. „Diese Internierung“ sei, so Nickels, „rechtswidrig“. Dies betonten auch der Frankfurter Vormundschaftsrichter Axel Bauer und die Rechtsanwältin Ursula Schlung- Muntau. Sie beriefen sich neben internationalen Abkommen auch auf ein Verwaltungsgerichtsurteil, nach dem die Unterbringung der Kinder, die nach dem „Kanther- Erlaß“ seit einem Jahr wie Erwachsene oder schlechter behandelt werden, „nicht kindgerecht“ sei. Schlung-Muntau beschrieb, wie sie einen siebenjährigen afghanischen Jungen vorgefunden habe, den sie besuchen durfte. Er mußte sich Bett und Decke mit einem anderen Kind teilen. Sie durfte ihn mitnehmen: „Ich habe noch nie einen Siebenjährigen so schnell in die Schuhe kommen sehen.“ Nickels hatte die Räume zuvor besichtigt und betonte, daß sich die BeamtInnen durchaus Mühe geben würden, die unerträgliche Situation zu mildern. Die Beamten trügen „aus eigener Tasche“ zur freundlicheren Gestaltung der Räume bei und würden bei ihrer unmenschlichen Aufgabe „von der Politik allein gelassen“. Nickels forderte eine Rückkehr zum hessischen Clearing-Verfahren, bei dem die Kinder nach Herstellung einer Amtsvormundschaft in einem Heim betreut werden, mit ihnen geredet und Vertrauen hergestellt werden kann. Nickels: „Das heißt nicht, daß sie später nicht doch zurück müssen.“ Immerhin seien im letzten Jahr 26 von 93 Kindern wieder in ihre Heimat zurückgeschoben worden. Heide Platen
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