Glaubwürdig für Moruroa

■ Greenpeace auf dem Platz des Himmlischen Friedens

„Ich sage nur China, China, China.“ Lang ist es her, seit ein deutscher Bundeskanzler glaubte, seine Landsleute dergestalt auf die „gelbe Gefahr“ einschwören zu müssen. Längst werden hierzulande 1,2 Milliarden Chinesen nicht mehr als potentielle Gefahr für den Weltfrieden, sondern als potentielle Konsumenten einheimischer Produkte wahrgenommen. Die versprengten Menschenrechtsaktivisten, die heute statt „China, China, China“ „Tiananmen“ sagen und weitgehend folgenlos an das Gemetzel auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor sechs Jahren erinnern, können ein Lied davon singen. Den chinesischen Politstalinisten wird der Blutzoll zur Absicherung ihrer Herrschaft gern verziehen, solange sie sich gleichzeitig als Wirtschaftsliberale präsentieren.

Ein analoger Mechanismus droht bei der Frage der atomaren Abrüstung. Auf internationalen Konferenzen gefallen sich die Abgesandten aus Peking in der Rolle der Friedenstauben, im unermüdlichen Einsatz für eine Welt ohne nukleare Sprengsätze. Anfang Mai, als die Atomwaffenstaaten die Skeptiker aus den Entwicklungsländern in New York erfolgreich zur unbegrenzten Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags nötigten, verpflichteten sie sich im Gegenzug zur „äußersten Zurückhaltung“ bei künftigen Tests der ultimativen Waffe. Drei Tage später ließen die Herren in Peking ihren nächsten Sprengsatz zünden. Die Kluft zwischen friedensbewegten Worten und aggressiven Taten konnte tiefer kaum sein – und das Echo der brüskierten Weltöffentlichkeit kaum moderater.

Samthandschuhe für China, Boxhandschuhe für Frankreich. Die säuselnde Kritik mutierte erst zum globalen Sturm, als Jacques Chirac meinte, sich à la Peking auf der internationalen Bühne einführen zu müssen. Seither stehen die entschlossensten Kritiker der französischen Atomtestpläne unter dem Generalverdacht, mit unterschiedlicher Elle zu messen. Spätestens nach dem erwarteten neuerlichen Knall in der chinesischen Provinz wäre dieser latente Verdacht für die Verteidiger des Moruroa-Einsatzes zur Gewißheit geworden. Die Greenpeace-Profis mußten fürchten, daß die von ihrer Organisation inspirierten Aktionen im Pazifik ins Leere laufen – besonders in Frankreich. Die wohlgesetzte Aktion auf dem Platz des Himmlischen Friedens wird die chinesische Nomenklatura nicht tangieren. Aber der internationalen Flottille vor Moruroa verleiht sie die Glaubwürdigkeit, die sie braucht. Gerd Rosenkranz