Revolte im Parkett

■ Heute hat das Rock-Grusical „Hallo, Eddy“ Premiere im Kulturbahnhof Vegesack

Fieberhafte Vorbereitungen zur Generalprobe des „Rock-Pop-Grusicals“ „Hallo, Eddy!“: Soundchecks werden abgespult, Schauspieler wieseln durch die Ränge, Stimmen werden geölt, Kostüme nachgebessert. Stimmung allerdings nicht nur auf der Bühne. Lautstarke Nebenhandlungen sind vor den eisernen Schiebetüren des Veranstaltungsortes angesiedelt und kaum einzudämmen. Im Kulturbahnhof Vegesack, vis-à-vis zum Hochhauskomplex der Grohner Düne gelegen, tobt das Leben. Mehrere Dutzend Kids versuchen schon seit Stunden, sich Einlaß zu verschaffen und mitzubekommen, was drinnen abgeht: „Eddy hat Daddy geschlachtet, Daddy war klein und schwach“, tönt es probehalber aus der Halle, und das Schlagzeug wummert dazu. Mit „Haut endlich ab!“ sind die Racker natürlich nicht in die Flucht zu schlagen, und eigentlich haben sie sogar gute Gründe für die Belagerung des Kulturbahnhofs. Nicht nur, daß Ferien sind, das Jugendfreizeitheim geschlossen ist und die Langeweile groß. Die Anwohner der berüchtigten Grohner Düne wurden nämlich zur Generalprobe geladen. Zum „Gruseln, Lachen und Träumen“, wie Irmtraud Günzler (Text, Regie) und Norbert Ellrich (Musik) versprechen.

Die beiden wollen in bester soziokultureller Manier „unter Verwendung der bekannten Klischees und Figuren des Thriller- und Science-Fiction-Genres ein Erleben mit allen Sinnen im Gegensatz zur visuellen Reizüberflutung im Alltag“ bieten. Ein Vorhaben, gegen das niemand etwas haben kann. Und das ja eigentlich ganz witzig sein könnte.

Versatzstücke aus dem salonfähigen Horror-Genre (“Das Schweigen der Lämmer“, „Edward mit den Scherenhänden“, „Freddy Krüger – Nightmare on Elm Street“, „Blade Runner“) sollen für düster-makabres Ambiente sorgen, ganze Textpassagen wurden aus den zitierten Werken übernommen, und Komponist Norbert Ellrich läßt Drums und Keyboard-Klänge wirbeln. Gut und schön. Nur ist darüber die Handlung auf der Strecke geblieben, die ohnehin schon schwach auf der Brust war. Dazu nur soviel:

Kannibalismus und Genie liegen bei Dr. Hanibal dicht zusammen; sein Experiment eines perfekten Replikanten mißlingt aber: Eddy, Ausbund an Boshaftigkeit, kommt dabei heraus und sorgt für Tod und schlechte Träume. Es braucht schon die Hilfe des unscheinbaren Felix – stille Wasser sind tief –, damit Dr. Hanibal, Wurzel alles Übels, unschädlich gemacht wird. Doch Hanibals infernalisches Lachen (wie am Schluß von Michael Jacksons „Thriller“) ist nicht totzukriegen ...

Um die Talente und Schwächen des 10-köpfigen Ensembles, allesamt Amateure, zu erkennen, reicht das analytische Grobraster. Positiv gewendet: Die einen haben eine gute Stimme; andere können sich auf der Bühne bewegen.

Die Kids reagierten auf Längen im Stück mit Hypermotorik und Gebrüll; die Erwachsenen hielt es auf den Sitzen – bis zur Pause. Zur Premiere heute abend werden wohl Eintrittsgelder helfen, daß die Action sich nicht auf den Zuschauerraum verlagert. Und den SchauspielerInnen die Peinlichkeit erspart bleibt, vor geistig abwesendem Publikum zu agieren. Die Regisseurin und der Komponist nahmen die Zwischenfälle seltsam unberührt auf und freuten sich schon darüber, daß die Kids nicht von der ersten Minute an lärmten. Den beiden wird wohl mit den Jahren ein dickes soziokulturelles Fell gewachsen sein.Alexander Musik

Premiere, heute, 20.30 Uhr; weitere Aufführungen: 18.-20., 22.-24. August, jew. 20.30 Uhr