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Vorschlag

■ Mozart-Mörder beim Alten Fritz: Sommeroper in Rheinsberg

Ländlich geht es zu bei der Kammeroper Schloß Rheinsberg. Über den Orchestergraben weht der agrarische Duft der im Gebüsch aufgestellten Miettoiletten. Um den Kopf des Dirigenten schwirren die Mücken, von denen das Publikum verschont bleibt, weil die Veranstalter vorsorglich in „Dschungelmilch“ getränkte Erfrischungstücher ausgeteilt haben. Daß die Insekten den penetranten Nelkengeruch nicht goutieren, der sich im Auditorium ausbreitet, erscheint nachvollziehbar.

Das „Internationale Opernfestival zur Förderung junger Sänger“ bietet ein Opernerlebnis der besonderen Art, vergleichbar weder mit dem schnöden Routinebetrieb der drei Berliner Musiktheater noch mit den Weihestunden in Bayreuth oder Salzburg. Wenn die Grillen zirpen und die Sonne langsam im See versinkt, dann ist's im märkischen Idyll schon sehr romantisch. Gerne würden wir uns vorstellen, wie der junge Fritz sich mit Hans Hermann ins Gebüsch verzog. Doch letzterer war zur Rheinsberger Zeit längst geköpft, und der Flötenprinz flüchtete sich nach seiner Zwangsverehelichung zu den Musen. Vorigen Sommer war er als Textdichter für Grauns „Montezuma“ zu bewundern.

Dieses Jahr kommt Antonio Salieri zu Ehren, allgemein als vermeintlicher Mozart-Mörder bekannt. Doch in Wahrheit schwang der Wiener Hofkapellmeister so gekonnt die Feder des Opernschöpfers, daß er auf das Komponieren von Giftcocktails verzichten konnte. Erst nach Mozarts Tod kam die künstlerische Krise. Obwohl Salieri danach noch ein Vierteljahrhundert lebte, war der 1799 uraufgeführte „Falstaff“ seine letzte große Oper.

Der Inhalt unterscheidet sich nicht in seiner Banalität, wohl aber in seiner Übersichtlichkeit von anderen Opernlibretti der Zeit. Um seinen exzessiven Lebenswandel zu finanzieren, bandelt Sir John Falstaff mit zwei Frauen aus reichem Hause an. Daß die beiden nur zum Schein darauf eingehen, entgeht seinem simplen Gemüt auch dann noch, als er beim vermeintlich überraschenden Auftreten des eifersüchtigen Ehemanns in den Wäschekorb klettern muß und sich wenig später im Wasser der Themse wiederfindet. Am Schluß wird Falstaff kräftig durchgeprügelt und gelobt Besserung. Es regiert die aufklärerische Moral.

Über die Qualitäten der Sänger im Alter zwischen 25 und 32 Jahren, die als Gage allein freie Kost und Logis erhielten und dennoch unter 554 Bewerbern aus 25 Ländern ausgewählt werden mußten, läßt sich leider wenig sagen. Im Schloßpark kann ohne Lautsprecherverstärkung nicht musiziert werden, und die Qualität der Boxen erinnerte stark an alte Caruso-Aufnahmen. Bleibt zu hoffen, daß der schmale brandenburgische Kulturetat im nächsten Jahr ein paar Mark für eine bessere Übertragungstechnik hergibt. Ralph Bollmann

„Falstaff“ von Antonio Salieri, nur noch Freitag und Samstag, 20.30 Uhr, Schloß Rheinsberg, Heckentheater.

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