R. macht sich um Politik „keinen Kopp“

■ Bundeswehrsoldaten restaurieren Gräber jüdischer Gefallener des 1. Weltkriegs auf dem Friedhof Weißensee. Wiedergutmachung hat kaum ein Rekrut oder Reservist im Sinn

Für die Bundeswehrsoldaten auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee ist die Grabmalpflege am Ehrenhain für 396 im ersten Weltkrieg gefallene jüdische Soldaten eine „nette Abwechslung“ zum Kasernenalltag und eher ein „Kameradschaftsdienst“ als eine politische Wiedergutmachungsaktion. In dieser Woche haben 30 Wehrpflichtige und Reservisten die Waffe gegen Spitzhacke, Spaten und Gießkanne getauscht und setzen die Gräber instand.

Bundesverteidigungsminister Volker Rühe hatte vor drei Jahren bei einer Kranzniederlegung auf dem Friedhof zugesagt, Soldaten zur Restauration der vernachlässigten Gräber bereitzustellen.

„Wir setzen ein Zeichen“, meint der Leiter der Aktion, Stabsfeldwebel Hans-Joachim Zimmlinghaus.

Die deutsch-jüdische Vergangenheit spielt für ihn allerdings genausowenig eine Rolle wie für die Soldaten, die Steine scheuern, Efeu wegschneiden und Inschriften säubern. „Soldat ist Soldat, egal wo er herkommt“, schwört der Wehrpflichtige R. auf Kameradentreue. Um Politik macht er sich „sowieso keinen Kopp“ und zählt am liebsten die Tage bis zur Entlassung.

„Nachhilfe in Geschichte“ erhoffte sich Brigadegeneral Hasso von Uslar-Gleichen als positiven Nebeneffekt der Aktion. Davon ist wenig zu spüren. Eine dreiwöchige Vorbereitung auf den Friedhof- Aufenthalt hat nach Aussagen einiger Wehrpflichtiger entgegen der Darstellung von Uslar-Gleichen nie stattgefunden. Auch den Gedanken der Wiedergutmachung bringen nur wenige Rekruten und Reservisten mit der Aktion in Verbindung.

So verschwendet auch der 21jährige Christian Siegel keine Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft. Er schrubbt verbissen an dem Grabstein eines jüdischen Soldaten, der getötet wurde, als er etwa in Christians Alter war. Christian findet die Grabpflege immerhin nützlicher als seine üblichen Aufgaben: Knöpfe annähen oder Stuben wienern.

Auf dem 43 Hektar großen Friedhof in Weißensee gibt es etwa 15.000 Grabstätten, von denen nur noch ein Bruchteil von Angehörigen gepflegt wird. „Wir wollen einfach helfen“, meint der Bundi Udo Erol. Er könnte sich gut vorstellen, Zivilistengräber zu restaurieren.

Das sehen einige an der Aktion beteiligte Reservisten allerdings ganz anders: „Ich bin doch kein Neger“, meint der Reservist Johann Schwarzenberg. Er empört sich über die verfallenen jüdischen Gräber jenseits der Soldatengedenkstätte. „Die sollten eingeebnet werden.“ Auf deutschen Friedhöfen gebe es eine eindeutige Frist für die Angehörigen, die Gräber in Ordnung zu bringen. Andernfalls würden diese „plattgemacht“. Die Pflege der „Zivilistengräber“ sei nicht Aufgabe des Staates.

Bei der militärischen Gedenkstätte ist das anders: „Das sind doch schließlich unsere Kameraden“, sagt Schwarzenberg. Er hat Verständnis für die jungen Männer, die auf Befehl in den Krieg gezogen sind. „Es muß immer einen Leitbullen geben, dem die anderen hinterherlaufen“, grinst er. Rund 100.000 jüdische Deutsche haben nach Angaben von Uslar-Gleichen im Ersten Weltkrieg mit „ganz großem Patriotismus“ für Deutschland gekämpft. 12.000 wurden getötet. Silke Fokken