Dortmunds Trainer Ottmar Hitzfeld dachte an Vestenbergsgreuth

■ Borussia Dortmund siegt im DFB-Pokal gegen den Amateurklub TSG Pfeddersheim erst im Elfmeterschießen

Ludwigshafen (taz) – Der größte Wormser Vorort Pfeddersheim war bundesweit bisher eher negativ aufgefallen. Bei einem rechten Sommernachtsfest im Anwesen eines örtlichen Weinguts rotteten sich im Juni 1993 wenige Tage nach dem Brandanschlag von Solingen Neonazis zusammen. Eine in der Nähe gefeierte türkische Hochzeit geriet in Gefahr, wurde aber schließlich durch eine Gegendemonstration geschützt.

Im DFB-Pokal wollte der Ort endlich mal positive Schlagzeilen machen, wenn auch nur auf fußballerischem Gebiet. 1993 spielte die TSG Pfeddersheim erst im zweiten Jahr in der Oberliga Südwest und verpaßte im Jahr darauf nur knapp die Qualifikation für die Regionalliga. Schlimmer erging es dem Wormser Traditionsverein Wormatia, der in den 30er und 40er Jahren sogar den 1. FC Kaiserslautern zeitweise hinter sich ließ. Noch 1965 und 1978 hatten die Wormaten von der Bundesliga geträumt. Doch die finanziellen Eskapaden eines Großsponsors führten die Rheinhessen in den Abgrund, zuletzt bis in die Verbandsliga und fast in den Konkurs. Im 8.000-Einwohner-Ort Pfeddersheim, „1970 zwangsweise nach Worms eingemeindet“ (Ortsvorsteher Alfred Haag von der SPD), begann dagegen ein Höhenflug, der am Ende der Saison mit dem Aufstieg in die Regionalliga enden soll, wie sich Trainer Jürgen Klotz wünscht. Rivalität oder gar Haß hin, Verstärkung der Mannschaft her – mit dem Trainer und dem Mittelfeldspieler Günter Braun sind auch zwei Ehemalige der Wormatia bei der TSG.

Daß Borussia Dortmund gegen die Pfeddersheimer im pfälzischen Ludwigshafen spielte, war das Werk der Wormser Stadtverwaltung. Die verlangte von der TSG dreist 15.000 Mark zur Teilsanierung einiger Stehränge im sonst nur von der Wormatia genutzten Stadion. Doch Uwe Becker, Mäzen der TSG, winkte ab und entsann sich des fußballerisch brachliegenden Südweststadions.

25.500 Zuschauer aus der ganzen Region kamen, einträchtig kostümiert in Gelb (TSG) und Gelb- Schwarz (BVB) und stellten sich auf eine Dortmunder Fußball-Demonstration ein. Alle wurden überrascht: Die Pfeddersheimer Mannschaft, vor allem Torhüter Rudi Stalyga und Mittelfeld-As Aaron Biagioli (früher Rot-Weiß Essen), agierte auf höchstem Niveau. Dortmunds Anhänger staunten nicht schlecht über die TSG. „Da weiß man gar nicht, wer hier der Meister ist“, outete sich eine zwölfjährige Gelb-Schwarze als Fußballexpertin. „Wir haben nicht schlecht gespielt“, so Ottmar Hitzfeld, „aber wir waren nicht konsequent im Abschluß.“

Wie in der ersten Halbzeit, als sie sich die Bälle gegenseitig zuschoben, anstatt zu schießen. Das baute den Außenseiter auf, der freilich in der zweiten Hälfte mehrmals Glück hatte, als Ruben Sosa mit einem raffiniert angeschnittenen Freistoß und zwei Distanzschüssen nur knapp scheiterte. Der Uruguayer war in dieser Phase neben Matthias Sammer, der ebenfalls mehrmals nur knapp verzog, der beste Dortmunder. TSG-Trainer Klotz war stolz auf seine disziplinierte Mannschaft und brach eine Lanze für den geschmähten Andreas Möller. Der war wieder einmal Ziel der Zuschauer, die nach einem Sündenbock für ihr Leid suchten. Spätestens als er nach 100 Minuten mit einem satten Schuß aus 16 Metern das 0:1 erzielte, war er unten durch, weil alle auf die Sensation scharf waren.

Bei den Amateuren lief danach nur noch wenig zusammen – bis zur 119. Minute. Dramaturgisch geschickt erlief sich Danny Winkler (früher SV Waldhof Mannheim) den Ball und hob ihn per Kopf über den herauslaufenden Stefan Klos – 1:1. Erstmals seit besseren Waldhof-Tagen stand das Südweststadion Kopf.

Es folgte ein Glücksspiel, das die Klassentieferen meist verlieren, weil die Klassenhöheren abgezockter sind. Nach je zwei Elfmetern stand es 2:2. Dann schoß Mack (TSG) an die Latte, Reinhardt (BVB) machte es besser und traf zum 2:3. Als Biagioli nur die Latte touchierte, war die Partie zugunsten der Dortmunder entschieden, Ottmar Hitzfeld tat einen Seufzer, und Manager Michael Meier verließ entspannt seinen Tribünenplatz. „Vestenbergsgreuth ist mir schon mal durch den Kopf gegangen, als es noch 0:0 stand“, sagte Hitzfeld und gab zu, „ganz nahe am Ausscheiden“ gewesen zu sein. Günter Rohrbacher-List