■ Mit Telefonhäuschen auf du und du
: „Topzuschlag“-Affäre

Berlin (taz) – Der Streit drehte sich nur um 10.000 von 165.000 öffentlichen Telefonzellen. Eine Berliner Boulevardzeitung hatte gemeldet, daß die Telekom an besonders „lukrativen“ Standorten (Flughäfen, Bahnhöfen, Autobahnraststätten) einen „Topzuschlag“ erheben wolle. Auf bis zu 60 Pfennig solle sich dort die Telefoneinheit verteuern, hieß es. Die Empörung schlug sofort hohe Wellen. CSU und PDS standen Seit' an Seit'. Die Union sah einen weiteren Grund, den frühzeitigen Abbau des Netzmonopols der Telekom zu fordern, die PDS sprach von einem „politischen Skandal ersten Ranges“.

Tatsächlich lief die Telekom direkt ins offene Messer. Am Montag versuchte sie noch die geplanten Tariferhöhungen damit zu begründen, daß sie an Bahnhöfen und anderen Standorten hohe Abgaben für Miete, Strom und Reinigung bezahlen müsse. Manche Flughäfen planten sogar Erhöhungen von „bis zu 30 Prozent“.

Postwendend aber schlug die Deutsche Bahn AG zurück. „Nein, es seien keinerlei Mieterhöhungen für die Häuschen geplant“, erklärte Sprecherin Christine Geißler-Schild. Dies brachte die Deutsche Presseagentur auf die Idee, ihren gesamten Apparat für eine Recherche von nationalem Ausmaß in Bewegung zu setzen und siehe da: Auch die Flughäfen in Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Leipzig erklärten, daß keinerlei Erhöhungen geplant seien, ebenso die Messegesellschaften in Hannover, Frankfurt, Essen und Leipzig. Doch die Recherche ergab noch mehr: Die meisten der befragten Verantwortlichen äußerten die Vermutung, daß die magentaroten Häuschen auf ihrem Gelände eher große Gewinne als krasse Verluste produzierten. Die These vom Topzuschlag schien also gar nicht so unberechtigt zu sein.

Flexibel, wie privatisierte Unternehmen sind, änderte die Telekom nun ihre Öffentlichkeitsarbeit: An eine „generelle“ Tariferhöhung der 10.000 Häuschen sei gar nicht gedacht gewesen. Man habe lediglich den 160 Regionaldirektionen neue Möglichkeiten einräumen wollen, um dort (aber auch nur dort), wo Kostensprünge anstünden, die Preise anzupassen. Und voller Freude verwies die Telekom auf die dpa-Umfrage, daß ja eigentlich gar niemand an Mieterhöhungen denke ...

Doch weil das Volk nun mal im Aufruhr war, sah auch Postminister Wolfgang Bötsch die Chance zur Profilierung. Telefonhäuschen, die „allgemein und jederzeit“ zugänglich sind, gehören nämlich laut einer Verordnung aus dem Jahr 1992 zu den Pflichtaufgaben der Telekom. Hier können Tariferhöhungen nur mit Zustimmung des Postministeriums beschlossen werden. Da die Berliner Boulevardzeitung in ihrer Horrormeldung aber nicht zwischen rund um die Uhr geöffneten und teilweise geschlossenen Flughäfen unterschieden hatte, sah sich Bötsch von der Telekom übergangen und kündigte großspurig eine „Prüfung“ an. Die Telekom reagierte treuherzig, selbstverständlich wolle sie sich jederzeit an die Verordnung halten und habe im übrigen das Ministerium auch rechtzeitig informiert.

So steht Aussage gegen Aussage, und doch ist der Ausgang der Topzuschlag-Affäre ziemlich egal. Denn eigentlich, das haben wir uns jetzt gemerkt, stehen ja gar keine Tariferhöhungen an. Christian Rath