Vorschlag

■ Heimatklänge, die (vor-) letzte: Sport und Politik mit Bonga

Mit weit ausgebreiteten Armen steht er auf der Bühne. Singt, trommelt, erzählt. Kraftvolle Musik, der man anhört, daß sie nicht einfach so dahergespielt wird, sondern neben aller Leichtlebhaftigkeit auch jede Menge bittere Lebenspillen enthält. Bonga ist sein Name, und er ist alles andere als einfach nur Sänger. Der „rund“ Fünfzigjährige hat eine Biographie, die andere vielleicht gern schillernd nennen würden. In den Sechzigern war er Leichtathlet – was man ihm heute nicht mehr so recht ansieht – und nahm 1968 für Portugal an der Olympiade in Athen teil. Gerüchte behaupten, Bonga sei dann auch noch bei Benfica Lissabon „Fußballstar“ gewesen.

All das aber würde ihm wohl noch nicht die Ehre des akustischen Rausschmeißers (nächste Woche gibt's noch Heimatkino aus Lusitanien) der diesjährigen Heimatklänge bringen. Eine Art umgekehrter Pole-position, die traditionell stark besetzt ist. Und auch wenn es beim heimeligen Wohlgefühl der Heimatklängen in den letzten Jahren öfter aussieht, als sei man bei einem Tanzworkshop der Ufa-Fabrik gelandet, als sei das Festival also eine ziemlich unpolitische Angelegenheit, lädt man gern Musiker ein, die auch politisch etwas zu sagen haben.

Geboren 1942 in Angola als Bonga Kwenda, wächst Bonga mit zehn Geschwistern in einem Armenviertel auf. Mit 23 schickt man ihn nach Portugal. Außer für den Sport engagiert er sich vor allem für die angolanische Befreiungsbewegung MPLA, die bei den portugiesischen Miltärmachthabern nicht gerade beliebt ist. Seine Genossen wandern in den Knast. Er selbst kann sich rechtzeitig nach Holland absetzen. Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn Bonga, wie am ersten Abend, in allen möglichen Sprachen sein Publikum begrüßt – in den ersten Reihen viele Angolaner, einige von ihnen ehemalige DDR-„Vertragsarbeiter“ – und ihm dabei auch ein freundliches, holländisches „dames en heren“ in den Sprachmix gerät. 1972 erscheint seine erste eigene Platte „Angola '72“. Diese wird von Portugal aus nach Angola geschmuggelt. Heute spielt er in Paris mit dem Ensemble Batuki und ist auf dem aktuellen Album von Manu Dibango vertreten.

Die Texte – aus heutiger Sicht erscheinen sie fast harmlos – sind den Machthabern so suspekt, daß das Anhören bei Strafe verboten ist. Zwei Jahre später bricht die portugiesische Nelkenrevolution aus, 1975 wird Angola unabhängig. Die marxistische MPLA übernimmt die Regierung. Südafrika und andere kapitalistische bis rassistische Länder wie die USA unterstützen die rechte Unita. Kubanische Söldner kämpfen für die MPLA, ein Stellvertreterkrieg der Supermächte beginnt. Die Supermächte sind längst mumifiziert, aber in Angola ist das Morden noch immer nicht vorbei. In einem Lied heißt es: „Der Geist des Bösen soll einschlafen. Er bringt mir zu Hause das ganze Unglück. Er soll den Mund halten, verschwinden. Für immer!“ Andreas Becker

Heimatklänge Lusomania '95 mit Bonga & Band & Tänzerinnen, heute und morgen 21.30, So. 16 Uhr. Nächste Woche Mi. bis So. Heimatkino mit lusitanischen Filmen.