Zur Samstagsarbeit „genötigt“

■ Herlitz will Samstag zum normalen Arbeitstag machen

Im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf ist der Berliner Vorzeigefirma Herlitz AG ein neuer Trick eingefallen, die Produktionskosten zu senken. „Unter dem Bruch geltenden Tarifrechts“, wie die Gewerkschaft meint, hat das Unternehmen die Mitarbeiter einer Abteilung dazu gebracht, in Zukunft auch am Samstag zum Teil bis 22 Uhr zu arbeiten.

„Natürlich wird mit unserem Konzept der Tarifvertrag ausgehebelt“, gesteht Firmensprecher Peter Kikel zu. Aber die internationale Konkurrenz könne Bürozubehör aus Kunststoffen deutlich billiger abieten. Für längere Maschinenlaufzeiten sollten die 23 Mitarbeiter der Spritzgußabteilung eine Verzichtserklärung unterschreiben. Danach wäre der Samstag wieder normaler Arbeitstag, die gesetzlichen Zuschläge für Wochenendarbeit entfielen.

Neunzehn Arbeitnehmer haben bis jetzt den individuellen Zusatzvereinbarungen zugestimmt. Von den vier, die sich weigerten, wurden zwei mit ihrer Zustimmung in eine andere Abteilung versetzt. Die beiden, die eine Versetzung ablehnten, „passen nicht mehr ins System“, wie Kikel es nennt. Ihnen wurde mit einer Kündigung gedroht.

Die Vorgehensweise von Herlitz nennt Johann Rademacher von den IG Medien „eine glatte Nötigung“. Er hält die Individualvereinbarungen für nichtig. Denn das Tarifvertragsgesetz läßt Abweichungen vom Manteltarifvertrag nur zu, wenn die Tarifparteien zustimmen. Für Rademacher schafft Herlitz einen Präzedenzfall, der mit dem „Dominoeffekt“ enden wird. Aus Hauptvorstandskreisen der IG Medien will er Gerüchte vernommen haben, daß die deutsche Konkurrenzfirma zu Herlitz, Leitz, „einfach nachzieht“.

Diese Entwicklung will die Gewerkschaft „politisch und rechtlich bekämpfen“. Deshalb verhandelt Herlitz mit der Gewerkschaft. „Es gibt letztlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Gewerkschaft stimmt den Einzelabmachungen zu, oder spezielle Produktionsbereiche werden dichtgemacht“, droht der Pressesprecher. So wird seiner Meinung nach die Gretchenfrage bei den Tarifverhandlungen im nächsten Jahr „Flexibilität bei der Arbeitszeit oder Stellenabbau?“ lauten.

Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Bürowirtschaft, kennt noch andere Hersteller von Büroartikeln, die nach Wegen suchen, die Produktionskosten zu senken. Die Gewerkschaft will den arbeitsfreien Samstag verteidigen: „Unser ganzes kulturelles und soziales Leben ist auf das freie Wochenende eingestellt. Das beginnt schon bei der Sportschau am Samstagabend“, meint Rademacher. Adrian Prechtel