Bahncard im Visier der Datenschützer

■ Berliner Datenschützer sind jetzt auch für die Privatwirtschaft zuständig und kritisieren die umstrittene Bahncard. Effektive Kontrollen werden durch Bundesgesetz eingeschränkt: nur "aus gegebenem Anla

Was in Bremen, Hamburg und Niedersachsen schon seit längerem Realität ist, gilt jetzt auch für Berlin. Seit gut zwei Wochen sind die Berliner Datenschützer auch für Privatunternehmen zuständig. Verstärkung erhielt die Behörde für ihren neuen Bereich von Mitarbeitern der Innenverwaltung, die bislang die Sammelwut der privaten Wirtschaft kontrollierten. Doch den neuen Entwicklungen in der Privatwirtschaft stehen die Datenschützer weitgehend hilflos gegenüber.

Schuld daran ist der Bundesgesetzgeber. Während für öffentliche Einrichtungen die Länder zuständig sind, steht die freie Wirtschaft unter dem Schutz des Bundesgesetzgebers. Und der hat die Kontrolle erheblich beschränkt. So dürfen die Datenschützer nur aus „gegebenem Anlaß“ – etwa bei Beschwerden von Bürgern – internen Daten bei Banken, Versicherungen, Detekteien, Ärzten, Rechtsanwälten oder Steuerberatern nachgehen. Selbst dann bleiben noch Freiräume: Personaldaten in Akten oder auf Videos sind nach wie vor tabu. Nur die auf Computer oder Karteikarten gesammelten Angaben dürfen von den Datenschützern unter die Lupe genommen werden.

Immerhin verschaffte die Kompetenzerweiterung der aufgestockten Berliner Datenschutzbehörde sogleich einen bundesweit höchst brisanten Fall: die Herausgabe der aktuellen Bahncard. Denn seit dem 1. August sind die Berliner Datenschützer auch für den hiesigen Stammsitz der Deutschen Bahn AG zuständig. Und die hat bekanntermaßen ihre neue Bahncard sogleich als kombinierte Kreditkarte zusammen mit der Citibank erarbeitet.

Nicht nur der zunächst entworfene, mittlerweile auf öffentlichen Druck überarbeitete Fragebogen, in dem Einkommen und Wohnverhältnisse der Antragsteller offengelegt werden sollten, stößt den Datenschützern sauer auf. Ebenso bedenklich sei die Herstellung der Bahncard in den USA, meinte gestern der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka. Dort ist Datenschutz weitgehend ein Fremdwort. Durch vertragliche Vereinbarungen müsse verhindert werden, daß die hierzulande eingeholten Bahncard-Auskünfte für Werbezwecke an Unternehmen weiterverkauft werden.

Wie sehr die Sorgen der Bürger um einen Mißbrauch berechtigt sind, machte Garstka an einem anderen Beispiel deutlich: Die Kreditkartenfunktion der neuen Bahncard, darunter sogenannte Kaufprofile, werde durch die Kreditkartenfirma „Visa“ in London bearbeitet. Das britische Gesetz schreibe, so Garstka, lediglich einen „fairen Umgang“ mit Daten vor. Außer Appellen und öffentlichem Druck bleiben Garstka weitgehend die Hände gebunden: „Ich kann nicht verlangen, daß die Bahncard in Deutschland hergestellt wird.“

Seit kurzem steht seine Behörde deshalb mit der Deutschen Bahn AG in Verhandlungen. Eine verbesserte Version des Fragebogens, in dem deutlich unterscheidbar wieder die alte Bahncard angeboten wird, wurde aber von den Berliner Datenschützern noch nicht abgesegnet.

Ebenso kritisch wertet Garstka die Einführung der Gesundheitskarten. Insbesondere der Wunsch der Krankenkassen, sich verstärkt über Krankheitsverläufe ihrer Kunden zu informieren, sei bedenklich. Parallel dazu schreite die Vernetzung im Gesundheitsbereich voran. Ein besonderes Problem stellt laut Garstka der Datenaustausch zwischen einzelnen Ärzten dar.

Hoffnung verbindet der Datenschutzbeauftragte allerdings mit einer jüngst beschlosssen EU- Richtlinie. Sie verbietet der Privatwirtschaft die Erfassung von Daten über politische Meinungen, Gewerkschafts-, Religionszugehörigkeit oder das Sexualleben und geht somit weit über deutsche Bestimmungen hinaus. Einziger Nachteil: Für die Angleichung ihrer nationalen Gesetze können sich die EU-Mitgliedsstaaten bis 1998 Zeit lassen. Severin Weiland