Kruzifix

■ betr.: „Kreuz muß raus aus der Schule“, taz vom 11. 8. 95

Ich abonniere die taz, seitdem es in der DDR möglich ist.

Allerdings hat Ihr reißerischer Titel am 11. 8. meine Zweifel an meiner Aufrechterhaltung dieses Abos verstärkt. Als Christ, Atomkraftbefürworter und Autofahrer sollte man sich wohl doch eine andere Zeitung suchen? Eigentlich sollte die taz es nicht nötig haben, mit solchen Überschriften um Leser zu werben. Grüße aus dem Erzgebirge Andreas Nitschke

Ich bin sehr überrascht, wie überaus wichtig Kreuz und Kruzifix dadurch geworden sind, daß sie abgehängt werden sollten. Jedermann meint, aus politischen Gründen dies bejahen oder verneinen zu müssen, da Religiosität eben Privat- oder Kollektivsache sein sollte, oder weil für die multikulturellen Bestrebungen das Kreuz doch ein Kreuz sei.

Ich versuche, das Ganze anders zu betrachten – ohne die katholische bzw. evangelische Kreuzesliebe – mit meinem jüdischen Verständnis.

Das Kreuz ist eigentlich alles andere als ein zu Gott gehörendes Zeichen. Es ist vielmehr ein heidnisches, römisches Mordwerkzeug, wie z. B. die Guillotine oder im Orient der Stein für die Steinigung. Auch dann, wenn der Jude Jeschua (mit dem heidnisierten Namen Jesus) an diesem Folter- und Mörderwerkzeug hingerichtet wurde, ist und bleibt es nicht das Wesentliche seines Dagewesenseins.

Wenn wir bedenken, was alles im Namen des Kreuzes getrieben und wieviel Blut durch das Kreuz vergossen wurde, anstatt an Gott zu glauben, von den Römern an, über die Kreuzritter bzw. Kreuzzüge, bis hin zum Hakenkreuz, welchem schon, vom Anfang an bis über den Holocaust hinaus, mit wenigen Ausnahmen von den kirchlichen Amtsträgern und deren Schafen gewiß mehr gehuldigt worden ist als der Lehre von Gott ...! [...] Schoschanna Platschek-B.,

Stuttgart

Eure Titelseite vom 11. August mit dem Spruch „Bayern ohne Balkensepp“ ist total geschmacklos! Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin weder bayrisch noch katholisch. Aber Eure Berichte und Kommentare zu der Sache mit den Kreuzen an Schulwänden verkennen den Ernst des Sujets. Mit den religiösen Gefühlen anderer Leute spielt man nicht!

Von mir aus könnt Ihr in der Redaktion alle Atheisten oder Nihilisten sein; aber über eine solche Sache habt Ihr als Redakteure einer seriösen, überregionalen Tageszeitung sachlich, objektiv und mit jedem Wort oberhalb der Gürtellinie zu berichten!

Die Verfassungsrichter wollten vermutlich erreichen, daß sich niemand in seiner Würde verletzt fühlt. Genau das solltet Ihr auch erreichen! Wenn Ihr das nicht schafft, gehört Ihr nicht in die erste Reihe der Tageszeitungen.

Jedenfalls habt Ihr mir gründlich die Lust auf taz-Abo versaut! Enttäuscht grüßt Jens Knappe, Hamm-Rhynern

Der Redakteur, der die Überschrift „Kruzifix! Bayern ohne Balkensepp“ kreiert oder zumindest hat durchgehen lassen sowie im Text von Felix Berth/Klaus Wittmann den „Lattengustl“ stehenließ, scheint selbst eine Latte vor dem Kopf gehabt zu haben. Für ein Blatt, das die multikulturelle Idee und damit Toleranz auf ihr Papier geschrieben hat, sind solche Vokabeln unwürdig. Dr. Alexander Schulz,

Wiesbaden

Offener Brief

Sehr geehrte Herren!

Die Flüchtlingsberatungsstelle des Ev. Kirchenkreises Minden hat seit ca. drei Jahren die taz abonniert. Wir arbeiten mit Ihrer immer aktuellen Berichterstattung über die Flüchtlingssituation in Deutschland, über die Auslandsberichte, Gerichtsurteile, Kommentare auf diesem Gebiet.

Ihre heutige Dachzeile und das dazugehörige Foto zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Rechtmäßigkeit der Verpflichtung des Freistaates Bayern, in Schulen das christliche Symbol des Kreuzes abzuhängen, empfinden wir nicht nur als äußerst geschmacklos, sondern in grober Weise als gefühlsverletzend und schamlos.

Jesus Christus hat eine Religion gestiftet, die uns die Legitimation für unsere Arbeit mit Flüchtlingen gibt. In unserer Beratungsstelle haben wir zu 95 Prozent mit Menschen anderer Religionszugehörigkeit zu tun. Wir setzen uns dafür ein, daß sie in diesem Land ihre Religion ausüben, ihre Sprache sprechen, ihre Kinder in ihrer Lebenssicht erziehen können. Wir besorgen ihnen Versammlungsräume, machen Öffentlichkeitsarbeit und versuchen, Toleranz zu lehren. Das alles ist – und noch mehr – Bestandteil einer Flüchtlingsarbeit bei einem kirchlichen Träger.

Wir sind überzeugt davon, daß Sie sich diese Dachzeile mit keinem moslemischen, buddhistischen, yesidischen, um nur einige Religionen aufzuzählen, Religionsstifter erlaubt hätten. Auch keinen Gandhi oder einen der großen Humanisten hätten Sie ähnlich bezeichnet.

Ihre offensichtliche Genugtuung über dieses Urteil (um dessen inhaltliche Richtigkeit es hier nicht geht) hat Sie offensichtlich zu einer solchen Entgleisung kommen lassen.

Wir kritisieren dies aufs schärfste und erwarten, daß Sie unseren Brief ohne Kürzung öffentlich machen.

Wir werden darüber nachdenken, ob wir Ihre Zeitung, die aus Mitteln bezahlt wird, die Kirchenmitglieder aufbringen, weiterhin abonnieren können.

Mit freundlichem Gruß

Ute Schulz,

Flüchtlingsbeauftragte

(obwohl ich mich nicht zuständig fühlen müßte, da ich als weibliche person in der anrede nicht angesprochen wurde, veröffentliche ich diesen brief trotzdem, weil er eine reihe von ähnlich lautenden meinungen widergibt)

Endlich ein kleiner juristischer Schritt zum Guten!

Daß Jesus von den Schriftgelehrten und Pharisäern ans Kreuz gebracht wurde, ist unumstritten. Es ist an der Zeit, daß ihnen endlich untersagt wird, wenigstens in staatlichen Einrichtungen den Gekreuzigten als Trophäe über Altar und Katheder aufzuhängen, um damit Macht und Verlogenheit des real existierenden Christentums zu demonstrieren. Manfred Döhlinger, Northeim

Als ich heute die Meldung hörte, daß das Bundesverfassungsgericht in bayerischen öffentlichen Schulen Kruzifixe verbietet, da es grundgesetzwidrig ist, dachte ich: „Bravo! Endlich zieht in Bayern der religiöse Liberalismus ein!“

Aber mal ernsthaft, das BVG hat, so finde ich, eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit klargestellt. In einer aufgeklärten Gesellschaft ist Religion wirklich Privatsache. Nebenbei zeigt es Toleranz, keine religiösen Symbole an staatlichen öffentlichen Plätzen aufzustellen. Ob dieses allerdings fördert, daß sich beispielsweise die katholische Kirche nicht in die Politik einmischt (man denke nur an diesen Erzbischof in Bayern ...), das wird wohl noch sehr lange dauern.

Dies schrieb eine in einer Diaspora aufgewachsene geborene Katholikin, die im letzten Jahr wegen des Papstes und seines Konservativismus aus der Kirche ausgetreten ist. Mit den besten Grüßen Manuela Kusch, Lübeck